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22.10.2015

MIT-DENKEN Demenzfreundliche Region Hildesheim

Ein Experteninterview mit den Initiatoren des Projektes.

Helga Kassebom, Alzheimer Gesellschaft Hildesheim e.V.
Manuel Stender, Landkreis Hildesheim

Schlagwörter:Demenz, Kommunen, Netzwerk, Ältere

Es ist kein Geheimnis, dass der demografische Wandel unsere Gesellschaft grundlegend verändert. Eine der großen Herausforderungen ist die steigende Zahl der an Demenz erkrankten Menschen. 80 Prozent der Betroffenen werden zu Hause von ihren Angehörigen betreut und gepflegt. Bis 2030 wird sich der Anteil der Demenzerkrankten im Landkreis Hildesheim voraussichtlich um 40 Prozent erhöhen. Dabei ist Demenz immer noch ein Tabuthema. Betroffene und Angehörige geraten so oft in Isolation und Einsamkeit.

Wie kann sich die Region Hildesheim in Zukunft wirksam für das Thema Demenz stark machen und nachhaltige Impulse setzen? Indem sich unterschiedliche Akteure des sozialen Gemeinwesens in einem regionalen Kooperationsnetzwerk zusammenschließen und institutionsübergreifend mit Unterstützung von Spenden und Fördergeldern Demenzprojekte umsetzen. So geschehen im Landkreis Hildesheim.

Maria Nicolai sprach hierzu mit Helga Kassebom und Manuel Stender.

1. Wie kam es zur Idee „MIT-DENKEN Demenzfreundliche Region Hildesheim“ und welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Initiative?

Bereits seit 2006 beschäftigte sich ein „Regionaler Arbeitskreis Demenz“ mit dem Thema und organisierte Informationsveranstaltungen und Vorträge. Auf Initiative der Alzheimer Gesellschaft Hildesheim e. V., Stadt und Landkreis Hildesheim, der Volkshochschule Hildesheim und der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) wurde 2012 das Netzwerk „MIT-DENKEN Demenzfreundliche Region Hildesheim“ gebildet mit dem Ziel, die Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen in der Region Hildesheim nachhaltig zu verbessern. Im Einzelnen sollen Hemmschwellen und Berührungsängste abgebaut, die Teilhabe und Lebensqualität der Betroffenen und Angehörigen gestärkt, Schulungs- und Fortbildungsangebote geschaffen, der Dialog mit allen Vertreterinnen und Vertretern der Gesellschaft gefördert, das bürgerschaftliche Engagement stärker einbezogen und die Transparenz durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit verbessert werden.
Erfreulicherweise wurden zwei Teilprojekte der Initiative mit jeweils 10.000 € aus dem Bundesprogramm „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“ gefördert.
Aktuelle Schwerpunkte sind berufsspezifische Schu­lung­en für Betriebe und Organisationen (z. B. Banken, Po­li­zei, Feu­er­wehr, Ein­zel­han­del) so­wie das Pro­jekt „Menschen mit De­menz im Krankenhaus“. So neh­men al­le sechs Krankenhäuser in der Re­gi­on Hildesheim an einem gemeinsamen Er­fah­rungs­aus­tausch teil, mit dem Ziel, die Krankenhausversorgung für Menschen mit De­menz zu verbessern. Ein ers­ter Er­folg ist die Aus­bil­dung von De­menzbeauftragten in den Krankenhäusern.

2. Ihr Pro­jekt wird mit Hilfe un­terschiedlicher Kooperationspartner umgesetzt und fördert un­ter anderem den Auf­bau regionaler Netzwerke. Welche Ak­teu­rin­nen und Akteure sind an dem Pro­zess beteiligt und wo se­hen Sie Potentiale und Herausforderungen in der Zu­sam­men­ar­beit?

Neben den be­reits genannten Institutionen gibt es mitt­ler­wei­le 25 Netzwerkpartner, die auf der Homepage www.demenzregion-hildesheim.de aufgeführt sind. Beispielhaft sind Wohlfahrtsverbände und soziale Institutionen, Bildungsträger oder Krankenhäuser vertreten.
Wichtige Potentiale sind die Bündelung der vielschichtigen Kompetenzen und An­ge­bo­te der Netz­werkpartner so­wie ei­ne vertrauensvolle Zu­sam­men­ar­beit für ein gemeinsames Ziel.
Herausforderungen sind ei­ne kontinuierliche Zu­sam­men­ar­beit bei teil­wei­se knappen zeitlichen Res­sour­cen der Netz­werkpartner, der Ab­bau von Konkurrenzdenken so­wie die Steu­e­rung und Fi­nan­zie­rung geplanter Projekte.

3. Be­trof­fe­nen Menschen mit De­menz und ih­re An­ge­hö­ri­gen fällt es oft­mals schwer, vorhandene An­ge­bo­te in An­spruch zu neh­men. Grund ist hier z. B. häufig die Intransparenz der Angebotslandschaft. Befinden sich ältere Menschen da­rü­ber hinaus in ei­ner schwierigen sozialen La­ge (be­sit­zen z. B. ei­nen geringen Bildungsabschluss, ein geringes Einkommen), so neh­men die Zugangshürden zu. Welche Wege ge­hen Sie, um diese Ziel­grup­pe zu er­rei­chen?

Zunächst durch ein breites niedrigschwelliges kostenloses Be­ra­tungs- und Unterstützungsangebot der Kooperationspartner, z. B. durch die Alz­hei­mer Ge­sell­schaft Hildesheim e.V., den Senioren- und Pflegestützpunkt Nie­der­sach­sen (SPN) beim Landkreis Hildesheim oder die Kontakt-, Informations- und Be­ra­tungsstelle im Selbsthilfebereich des Paritätischen Hildesheim-Alfeld (KIBIS). Niedrigschwellig bedeutet ei­ne Kom­bi­na­ti­on aus der wohnortnahen Vermittlung einfacher Entlastungshilfen (z. B. Besuche, Be­schäf­ti­gung, Nachbarschaftshilfen) und Ein­be­zie­hung der in Nie­der­sach­sen anerkannten Anbietern von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten nach § 45 a - SGB XI (www.niedrigschwellige-betreuungsangebote-nds.de). Der Landkreis Hildesheim leistet zu­dem in ei­nem Modellprojekt („das Machmits-Infomo­bil“) auch aufsuchende Be­ra­tung, in­dem in den 19 Kom­mu­nen des Landkreises wohnortnahe Be­ra­tung­en für Menschen angeboten wer­den, die in­fol­ge ei­ner Er­kran­kung oder al­ters­be­dingt nicht mehr mo­bil sind.

4. Neben der „Ziel­grup­pe“ selbst, al­so Menschen mit De­menz und ih­ren An­ge­hö­ri­gen, la­den Sie auch al­le Ein­woh­nerinnen und Ein­woh­ner Ihrer Re­gi­on ein, Teil Ihres Projektes zu sein. Wie gelingt es Ihnen, die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger so­wie ansässige Institutionen für die Ge­stal­tung ei­ner demenzfreundlichen Re­gi­on zu ge­win­nen?

Durch ei­ne aktive Öf­fent­lich­keits­ar­beit in al­len Me­di­en. Neben kulturellen Ver­an­stal­tung­en (z. B. Keller-Kino, Le­sung­en, Vorträge) wer­den re­gel­mä­ßig Informationsveranstaltungen (z. B. Fachtagungen oder Schu­lung­en) angeboten. Beispielsweise wurde der Sportverein Ein­tracht Hildesheim auf un­ser Netz­werk auf­merk­sam und bietet nach Schu­lung der Übungsleiterinnen und Übungsleiter seit ei­nem Jahr ein Sportangebot für Menschen mit De­menz an. Derzeit wird der „Demenz-Wegweiser“ aktualisiert. Für 2016 sind weitere Projekte geplant, z. B. generationsübergreifende Aktivitäten mit Schulen und Ein­rich­tung­en so­wie die starke Ein­bin­dung von Hausärztinnen und Hausärzten.
Es gibt noch viel zu tun. Aber der An­fang ist gemacht und wir sind ge­mein­sam auf ei­nen guten Weg zu ei­ne demenzfreundlichen Re­gi­on Hildesheim.

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