08.04.2015
"Mit einem modernen Regelwerk in die neue Ära starten"
Interview mit Dr. Volker Wanek zum GKV-Leitfaden Prävention
Volker Wanek, ehem. GKV-Spitzenverband
Schlagwörter:Erwerbslosigkeit, Gesundheitspolitik, GKV, Interview, Kommunen, Leitfaden, Qualitätsentwicklung
Der GKV-Spitzenverband veröffentlichte im Dezember 2014 die neueste Fassung des "Leitfaden Prävention". Der Leitfaden bildet die Grundlage für die konkrete Umsetzung der Paragrafen 20 und 20a des SGB V. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei, dem gesetzlichen Auftrag zur Verminderung der sozial bedingten Ungleichheit von Gesundheitschancen gerecht zu werden.
Im Dezember 2014 wurde der Leitfaden Prävention in seiner neuesten Überarbeitung vom GKV-Spitzenverband veröffentlicht. Mit welchem Ziel wird der Leitfaden publiziert? Wo findet er Anwendung?
Volker Wanek: Der Leitfaden ist das zentrale Qualitätsinstrument der Krankenkassen in der Prävention und Gesundheitsförderung. Er ist für die Krankenkassen und die mit ihnen kooperierenden Partner verbindlich. Der Leitfaden beschreibt die Anforderungen an wirksame und wirtschaftliche Leistungen der Krankenkassen, zeigt geeignete Vorgehensweisen - auch in der Zusammenarbeit mit weiteren Partnern - auf und enthält die Ziele der Krankenkassen in der lebens- und arbeitsweltbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung. Wie in der Vergangenheit haben wir die aktuelle Auflage in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit unserer beratenden Kommission unabhängiger Expertinnen und Experten sowie den Verbänden der Kassenarten erstellt. Schwerpunkt der aktuellen Überarbeitung waren die Betriebliche Gesundheitsförderung und der Setting-Ansatz. Diese Bereiche stehen ja auch im Mittelpunkt des aktuellen Präventionsgesetzes. Hier möchten wir mit einem modernen Regelwerk in die neue Ära starten.
Den aktuellen GKV-Leitfaden Prävention in der Fassung vom
10. Dezember 2014 finden Sie hier als PDF-Datei.
Mehr zum Leitfaden Prävention finden Sie auch auf der Seite
des GKV-Spitzenverbandes.
Erstmals werden im Leitfaden Prävention neben Familien, Alleinerziehenden und Älteren auch Arbeitslose als explizite Zielgruppe benannt. Weshalb diese Erweiterung und welche konkreten Empfehlungen werden bezüglich dieser Zielgruppe formuliert?
Volker Wanek: Arbeitslose sind eine sozial und auch gesundheitlich benachteiligte Zielgruppe, die über Betriebe und Bildungseinrichtungen, in denen die Krankenkassen ja bereits stark engagiert sind, nicht erreicht werden können. Bereits in früheren Leitfaden-Fassungen hatten wir erleichterte Zugangsbedingungen für diesen Personenkreis - insbesondere die Freistellung von Vorleistungen und Zuzahlungen bei der Inanspruchnahme - empfohlen. Neu ist jetzt, dass eine Verstärkung von Maßnahmen insbesondere in Kommunen angestrebt wird, um dort auch der Isolierung entgegenzuwirken und Selbstwirksamkeitserfahrungen zu aktivieren. Der GKV-Spitzenverband führt gemeinsam mit seinen Mitgliedskassen und der Bundesagentur für Arbeit ein Modellprojekt durch, um Arbeitslose auch über die Jobcenter stärker für einen gesundheitsförderlichen Lebensstil zu sensibilisieren und zu motivieren. Uns ist dabei klar, dass dies natürlich keine kausale Prävention darstellt, aber es ist das für die GKV Machbare.
Die Koordinierungsstellen Gesundheitliche Chancengleichheit in den Bundesländern sind die einzigen Personalstellen, die durch die GKV auch auf Dauer finanziert werden können. Welche Leistungen und Entwicklungen sind es, die Sie speziell von dieser Struktur erwarten?
Volker Wanek: Wir haben den Kooperationsverbund von Beginn an gefördert und sehen in ihm eine ganz wichtige Vernetzungs- und Beratungsstruktur für die soziallagenbezogene Prävention und Gesundheitsförderung. Die Koordinierungsstellen bringen die unterschiedlichen Akteure in den Ländern zusammen, fördern ein gemeinsames Verständnis der Probleme und einzuschlagenden Lösungswege und beraten die Aktiven in den Einrichtungen bei der Umsetzung. Er ist ein erfolgreiches Beispiel für eine Gemeinschaftsinitiative von GKV und öffentlicher Hand in der Prävention und Gesundheitsförderung. Wir setzen uns für den Ausbau des Kooperationsverbundes ein und hoffen, dass auch die Länder diese bewährte Struktur weiter stärken.
Sollte das Präventionsgesetz tatsächlich schon, wie derzeit kommuniziert, im Sommer 2015 in Kraft treten, stehen der Ausgestaltung von Prävention und Gesundheitsförderung - gerade, was die gesetzlichen Krankenkassen betrifft - gravierende Änderungen bevor. Wird der Leitfaden damit obsolet sein?
Volker Wanek: Im Gegenteil: Der Leitfaden wird durch das Präventionsgesetz bestätigt. Natürlich werden wir eine aktuelle Neufassung unter Berücksichtigung der aktuellen Gesetzeslage erarbeiten. Die Liste der verbindlich zu regelnden Themen soll nach dem Gesetzentwurf in Zukunft z. B. auch Kriterien zur Evaluation und Messung der Zielerreichung umfassen. Die Einbeziehung unabhängigen wissenschaftlichen Sachverstandes wird konkretisiert. Der Leitfaden ist darüber hinaus auch die rechtliche Basis für die Leistungen der Krankenkassen im Rahmen der vorgesehenen trägerübergreifenden Präventionsstrategie. Wir erhoffen uns hiervon ein höheres Maß an Durchschlagskraft durch größere trägerübergreifende Abstimmung und Zusammenarbeit.