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15.05.2012

Nicht erkrankt und doch betroffen

BKK Wettbewerb "Vorbildliche Praxis"

Dagmar Johannes, BKK Bundesverband GbR

Schlagwörter:Demenz, Praxis, Veranstaltungsbericht, Wettbewerb

Unter dem Mot­to „Mehr Ge­sund­heit für al­le“ fördert der BKK Bundesverband seit rund einem Jahr­zehnt Projekte für Menschen, die im Versorgungssystem (noch) nicht aus­rei­chend betreut wer­den. In diesem Rahmen wird seit 2006 jähr­lich der Wett­be­werb „Vorbildliche Pra­xis“ aus­ge­schrie­ben, bei dem in diesem Jahr Lö­sung­en für An­ge­hö­ri­ge von Menschen mit De­menz im Blick­punkt standen. Gesucht wurden Projekte, die die Pfle­ge der erkrankten Verwandten er­leich­tern, zu­gleich aber auch die Ge­sund­heit und Le­bens­qua­li­tät der Pfle­genden selbst verbessern kön­nen.

Trotz des vergleichsweise kurzen Bewerbungszeitraums für den Wett­be­werb „Nicht erkrankt und doch be­trof­fen - Unterstützungsangebote für An­ge­hö­ri­ge von De­menzkranken“ erreichte die Zahl der teilnehmenden Projekte, An­ge­bo­te und Maß­nah­men mit 129 einen Re­kord. Davon kamen aus den neuen Bundesländern ein­schließ­lich Ber­lin ins­ge­samt 31 Be­wer­bung­en und da­mit ge­nau­so viele wie aus Nordrhein-Westfalen al­lein. Jeweils rund 20 Be­wer­bung­en gingen aus Bay­ern und Baden-Württemberg ein.

Neun Projekte nominiert

Nach der Erstbegutachtung durchliefen im­mer­hin 21 Projekte in diesem noch jun­gen Handlungsfeld die zwei­te Pha­se der Be­gut­ach­tung, in der ei­ne intensive Qualitätsprüfung an­hand der Good-Practice-Kriterien des Ko­o­pe­ra­ti­ons­ver­bun­des erfolgte. Die No­mi­nie­rung für den Preis schafften ins­ge­samt neun Projekte, die so­wohl das inhaltliche Spek­trum der eingegangenen Wett­be­werbs­bei­träge aufzeigten als auch ei­ne regionale Streu­ung wider­spie­gel­ten. In der dritten Pha­se erfolgte ei­ne kritische Prü­fung durch die Ju­ry: Die Gut­ach­ter vom BKK Bundesverband, der Bun­des­zen­tra­le für ge­sund­heit­liche Auf­klä­rung, der Deut­schen Alz­hei­mer Ge­sell­schaft und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) stellten vor al­lem fest, dass praxisnahe und erfolgreiche Ansätze fast durch­weg auf der Kom­bi­na­ti­on von Be­ra­tung, Qua­li­fi­ka­ti­on und Gruppenangeboten grün­den. Diese Kriterien tref­fen vor al­lem für die Selbsthilfearbeit zu.

Anlässlich der Preis­ver­lei­hung stellte die Ju­ry heraus, dass es er­freu­li­cher­wei­se ei­nen gewissen State of the Art an Unterstützungsangeboten gibt. Viele Wettbewerbsbeiträge, die al­le­samt dem neuesten Stand der Erkenntnisse ent­spre­chen, äh­neln sich kon­zep­ti­o­nell sehr stark, so dass die letzt­lich ausgewählten neun An­ge­bo­te - wie auch die drei Preis­trä­ger - größ­ten­teils stell­ver­tre­tend für ähnliche An­ge­bo­te ste­hen. Deshalb wurden auch al­le drei Ge­win­ner als gleich­ran­gig betrachtet und erhielten je­weils ein Preis­geld in Höhe von 1.000 €.

Neue Aktionsräume für Menschen mit De­menz und ih­re An­ge­hö­ri­gen (NADiA)

Wie groß der Be­darf an solchen Angeboten ist, zeigt ins­be­son­de­re die schnell zunehmende Ver­breitung des in Köln gestarteten Projekts „Neue Aktionsräume für Menschen mit De­menz und ih­re An­ge­hö­ri­gen“. Das un­ter der Lei­tung von Prof. Dr. Heinz Mechling von der Deut­schen Sport­hoch­schu­le Köln am In­sti­tut für Bewegungs- und Sportgerontologie entwickelte Kon­zept hat im vergangenen Jahr mit 5.632 Teilnehmern nicht nur die Zahlen aus den ersten Jahren mehr als verzehnfacht. Wichtig für die weitere Verbreitung ist auch die Tat­sa­che, dass die ins­ge­samt 43 Grup­pen durch die Zu­sam­men­ar­beit von 39 Trägern - vor allem städtischen Ein­rich­tung­en, Wohl­fahrts­ver­bände und Kir­chen­ge­mein­den - ge­grün­det wer­den konnten. Für NADiA musste so­mit keine neue In­fra­struk­tur ge­schaf­fen wer­den, son­dern es wurde auf vorhandene Res­sour­cen und Träger aufgebaut. Inhaltlich zielt NADiA auf die Kom­pe­tenz­erweiterung der Menschen mit De­menz und ih­rer pflegenden An­ge­hö­ri­gen.

Konkret geht es um die Stär­kung der körperlichen und psy­chi­schen Kräfte der Pflegenden, für die ins­ge­samt 16 nied­rig­sch­wel­lige Betreuungsangebote geschaffen wurden. Eine Be­son­der­heit besteht da­rin, dass die Kraft- und Ko­or­di­na­tions­ü­bun­gen des Pro­gramms so angelegt sind, dass sie auch den de­men­ten Men­schen zugutekommen und da­durch deren All­tags­kom­pe­tenz und Le­bens­qua­li­tät er­hal­ten wer­den kön­nen. Die pflegenden An­ge­hö­ri­gen selbst, so die Lau­da­tio auf NADiA, „er­hal­ten die Mög­lich­keit, zeitweilig aus der Rol­le der Be­treu­e­rin­nen und Be­treu­er he­raus­zu­treten und sich selbst in den Fo­kus des eigenen Trainings zu neh­men“. Genau die­ser An­satz verdeutlicht den Präventionsgedanken, der bei der Ju­ry zu einem einheitlichen Votum für die­ses Pro­jekt beigetragen hatte.

Angehörigenberatung e.V. Nürnberg

Ein regelrechter „Ol­die“ in Sa­chen Un­ter­stüt­zung von pflegenden Verwandten ist der Preis­trä­ger „An­ge­hö­ri­genberatung e. V. Nürn­berg“: Der Verein betreibt seit nun­mehr 25 Jahren mit staatlicher Un­ter­stüt­zung ei­ne Beratungsstelle. Pflegenden An­ge­hö­ri­gen wird hier Hilfe zur Selbst­hil­fe angeboten und die Handlungskompetenzen wer­den gestärkt, um die Pflegesituation ob­jek­tiv wie sub­jek­tiv be­wäl­ti­gen zu kön­nen. Hierbei steht den pflegenden An­ge­hö­ri­gen ein breites und vielfältiges An­ge­botsspektrum zur Verfügung. Dazu ge­hö­ren an ers­ter Stel­le kostenlose Be­ra­tung­en für Einzelpersonen und für Fa­mi­lien, die auch über Hausbesuche in An­spruch genommen wer­den kön­nen. Ergänzt wird das An­ge­bot durch zahlreiche Bewegungs- und Freizeitangebote, Gesprächsgruppen von An­ge­hö­ri­gen und Selbst­hil­fegruppen, die al­le­samt da­zu bei­tra­gen, den Erfahrungs- und In­for­ma­ti­ons­aus­tausch von Menschen in ähnlichen Lebenssituationen zu för­dern. Alle Aktivitäten fol­gen dem Grund­satz, auf die Bedürfnisse der pflegenden An­ge­hö­ri­gen einzugehen, sie ernst zu neh­men und da­bei ih­re Res­sour­cen im Sinne ei­nes Empowerment-Prozesses zu stär­ken.

Seniorentreff „Jute Stuw“

Vorrangige Ziele des Seniorentreffs „Ju­te Stuw“, auf Hochdeutsch: Gute Stu­be, sind der Auf­bau und Er­halt von so­zialen Beziehungen so­wie die Stei­ge­rung der Le­bens­qua­li­tät. Aufgebaut von der Alzheimer-Gesellschaft Düs­sel­dorf & Kreis Mettmann e. V. verfolgt die Ju­te Stuw in der niederrheinischen Kreis­stadt das Mot­to „Gemeinsam sind wir stark“. Das Pro­jekt geht vor allem ge­gen die häufig drohende so­ziale Iso­la­ti­on der Be­trof­fe­nen und ihrer An­ge­hö­ri­gen an. Die Ju­te Stuw ist ei­ne ständige Ein­rich­tung, in der an De­menz erkrankte Menschen zeit­wei­se betreut wer­den, um den an­sons­ten pflegenden An­ge­hö­ri­gen Ge­le­gen­heit zu ge­ben, ei­ne kurze Aus­zeit zu neh­men, al­so ei­nen Teil ihres Lebens nach eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen zu ge­stal­ten. Daneben gibt es im Alzheimer-Café Gesprächs- und Beratungsangebote, es wer­den Gruppentreffen von An­ge­hö­ri­gen or­ga­ni­siert und ei­ne Selbst­hilfegruppe wird fach­lich unterstützt. Die Ju­te Stuw ist ein Bei­spiel da­für, wie die Si­tu­a­ti­on von pflegenden An­ge­hö­ri­gen im lokalen Raum auch oh­ne großen organisatorischen Über­bau spür­bar verbessert wer­den kann.

Eine wichtige Botschaft

Im Rahmen der Preis­ver­lei­hung betonte Herr Prof. Dr. Tho­mas Klie von der Evangelischen Hochschule Frei­burg in seinem Fachbeitrag, dass ge­gen­über Menschen mit De­menz häufig der Re­spekt fehle. Man spreche von den „De­menzkranken“ und stelle hierdurch die Krank­heit in den Mit­tel­punkt. Professor Klie schlug da­her vor, stattdessen von „Menschen mit De­menz“ zu sprechen, um nicht aus den Au­gen zu verlieren, dass die Be­trof­fe­nen trotz ihrer Er­kran­kung in ihrer Per­sön­lich­keit mit all ihren Wünschen und In­te­res­sen anerkannt wer­den wol­len und sollen.

Den Preisträgern sei an die­ser Stel­le noch einmal ganz herzlich für ihr beispielhaftes En­ga­ge­ment und ih­re richtungsweisenden Aktivitäten gedankt.

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