07.11.2011
Ökonomisierung im Gesundheitssystem - wo bleibt der Mensch? Lücken schließen in der poststationären Versorgung wohnungsloser Menschen
6. Kooperationsveranstaltung der Ärztekammer Hamburg und des Regionalen Knoten Wohnungslosigkeit und Gesundheit der HAG
Petra Hofrichter, Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Hamburg
Schlagwörter:Fachtagung, Gesundheitswesen, Veranstaltungsbericht, Wohnungslose, Ökonomisierung
Rund 100 Akteure aus den Bereichen der Medizin, Pflege und Wohnungslosenhilfe haben an der 6. Veranstaltung des Regionalen Knoten und der Ärztekammer Hamburg teilgenommen. Im Mittelpunkt standen die Auswirkungen des Ökonomisierungsprozesses im Gesundheitswesen, unter besonderer Berücksichtigung der Versorgung wohnungsloser Menschen.
Im ersten Teil der Veranstaltung näherten sich die Referenten diesem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven: Paul Wenzlaff stellte die Evaluationsergebnisse aus 10 Jahren aufsuchender Gesundheitsfürsorge in Hannover vor und machte deutlich, wie wichtig es ist, die Angebotsstruktur der niedrigschwelligen Gesundheitsversorgung begleitend zu evaluieren und auf dieser Basis bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Dr. Bernard Braun stellte in seinem Beitrag mit dem Titel „Der Patient steht im Mittelpunkt“, aber Allen und Allem im Wege“ die Auswirkungen des Ökonomisierungsprozesses auf die Versorgungsqualität dar. Ökonomisierung, so Braun, ist eine Umkehr von Zweck und Mittel im Gesundheitswesen: „Geld bleibt nicht Mittel zur Sicherstellung der notwendigen Versorgung und des Erreichens definierter gesundheitlicher Ziele, sondern die Versorgung von Kranken wird tendenziell zum Mittel, durch das Einkommen, Umsatz und Gewinn erzielt werden sollen.“ Welche Folgen dieser Prozess auf die Akteure im System hat, war Thema des Beitrags von Dr. Arne Manzeschke. Er betonte, dass es sich hier um einen Paradigmenwechsel handele, der Einfluss auf Prozesse, Strukturen und Beziehungen in der Organisation, die Funktion der Organisation und die Rolle und Berufsethos ihrer Professionellen hat.
Im zweiten Teil der Veranstaltung wurden im Rahmen einer Fishbowlrunde diese Themen auf die lokale Ebene übertragen und mit den Teilnehmenden der Tagung diskutiert. Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen medizinische stationäre und ambulante Versorgung, Krankenkasse, Behörde und Wohnungslosenhilfe machten Handlungsbedarfe und Lösungsansätze sichtbar. Alle Beteiligten sprachen sich für eine stärkere Vernetzung und bessere Kommunikation aus. „Natürlich müssen wir mit vorhandenen Restriktionen umgehen - aber es gibt immer Freiräume. Interessant ist, diese Freiräume zu entdecken und daran zu arbeiten, wie man diese Freiräume nutzen kann, um langfristig die Rahmenbedingungen zu ändern“, regte Dr. Arne Manzeschke von der Universität Bayreuth an.