29.07.2019
Orte der Begegnung in Ländlichen Räumen - die Satellitenveranstaltung 2019
Karoline Zahn, bis Okt. 2020: Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.
Schlagwörter:Kommunen, Ländlicher Raum, Satellitenveranstaltung
Orte der Begegnung, auch außerhalb der Kneipe
Gesundheitsförderung beginnt, dies bereits vorweggenommen, bei der Begegnung. Dass damit aber nicht die Kneipe nebenan gemeint ist, betonte Jörg Freese vom Deutschen Landkreistag, der Gesundheit Berlin-Brandenburg bei der Ausrichtung des Satelliten auch 2019 wieder gewinnbringend unterstützte, mit einem Augenzwinkern in der Eröffnung.
Neben fest institutionalisierten Begegnungsorten wie Kindergärten, Jugendeinrichtungen und Schulen steht vor allem die Unterstützung und der Ausbau von öffentlichen und auch informellen Plätzen wie Mehrgenerationenhäusern, Skateranlagen oder auch das Dorffest im Fokus. Geht es beim Thema Begegnungsort doch weniger um die Frage des Wo‘s, als vielmehr um die Bedeutung, die diese vielgestaltigen Orte einnehmen können.
Welche konkreten Potentiale diese Orte für Gesundheit und sozialen Zusammenhalt in der Praxis bieten, welche Mittel, Anstrengungen und Stolpersteine bei der Entwicklung oder Aufrechterhaltung dieser Begegnungsorte maßgeblich sind und nicht zuletzt, wie diese sich in eine nachhaltige kommunale Gesamtstrategie integrieren lassen, zeigten alle Beteiligten in diesem Jahr einmal mehr. Denn - und das muss nicht erst die Erfahrung lehren: Ohne „gemeinsam“ bleiben auch diese Orte einsam.
„Es muss ein politischer Wille da sein und es muss bei den Menschen angekommen sein. Auch in dem Sinne, dass Gesundheitsförderung nicht nur Bewegung, Ernährung, Entspannung bedeutet, sondern auch das darüber hinaus. Einen Ort haben, wo man sich begegnet - in Gemeinschaft ist.“
- eine Teilnehmerin der Satellitentagung 2019
Eine ausführliche Dokumentation der Satellitentagung 2019 finden Sie hier!
Gemeindebahnhof Erlau - wo die Macht der Bilder Wirkung zeigte
Vor den Herausforderungen räumlicher Distanz, neuen Lebensmodellen und Strukturveränderungen stand auch die Gemeinde Erlau in Mittelsachsen. Aus der Not des stillen Verfalls eines Bahnhofs in Kombination mit dem Drang nach gemeinwohlstiftendem Engagement wurde hier im wahrsten Sinne des Wortes eine Tugend gemacht.
Ursprung hatte alles in der Entwurfsstudie bzw. dem Planspiel von Architekturstudierenden der TU-Dresden. Gesehen, wie es aussehen könnte, und die Erlauer Bürgerinnen und Bürger waren nicht mehr zu bremsen: Nach der Erarbeitung einer Projektskizze unter fachlicher Begleitung fiel 2014 der Beschluss zur Sanierung zum „Generationenbahnhof“. Mit der Gründung des Vereins „Generationenbahnhof Erlau e.V.“ konnten die Bedarfe der Bürgerinnen und Bürger direkt mit einbezogen werden - Ergebnis: ein belebtes, saniertes Mehrgenerationenhaus mit pflegerischen, medizinischen sowie öffentlichen Bürgerbereichen. Denn, so bestätigt es auch Jana Ahnert, die das Projekt im Forum 4 auf der Satellitentagung 2019 präsentierte, gelte auch hier das gleiche: „Zuhören, was die Leute interessiert, und nicht einfach Ideen überstülpen“.
„Wir meinen immer, wir als Profis wissen, was die Leute wollen. Das stimmt aber oft nicht. Wir müssen wirklich die Menschen fragen, sie direkt beteiligen und sie müssen ihre Bedarfe nennen, nicht umgedreht - so funktioniert das nicht.“
- eine Teilnehmerin der Satellitentagung 2019
Von Dorfmoderatoren und guten Prozessen, denen die Mittel fehlen
Gemeinschaft stiftende und gesundheitsförderliche Projekte in Kommunen zu etablieren und zu fördern, bedarf einer guten Koordination. Um diese nachhaltig zu stützen, kann z. B. eine Dorfmoderatorin oder ein Dorfmoderator zum Einsatz kommen.
An der Hochschule Neubrandenburg gibt es dafür einen eigenen Ausbildungszweig. „Leuten von außen“ fehlt oft der Blick von innen - und genau darauf zielt die Fortbildung ab: Aus den eigenen Reihen heraus nicht nur Bedarfe zu erkennen, sondern auch zu steuern. Ilona Pisek, Dorfmoderatorin aus Wesenberg, machte in ihrem Beitrag jenen Weg zur Dorfmoderation deutlich und abstrahierte dabei ein weiteres Problem, mit dem Projekte im ländlichen Raum zu kämpfen haben - Geld: „Ich könnte jetzt als Dorfmoderation starten, aber wo kriege ich die Mittel her?“. Ihre Idee, einen Fahrdienst für Mobilitätshilfe zu etablieren, droht letztlich an den finanziellen Mitteln zu scheitern, trotz Träger und immenser Bedarfe durch fehlende ländliche Mobilität und eine mangelhaft ausgebaute Infrastruktur.
Nicht nur der Fall der Dorfmoderatorin aus Wesenberg machte auf der Satellitentagung deutlich, dass oft genau dort Geld fehle, wo es dringend hingehöre und das damit nicht immer die fehlenden Mittel an sich das Problem darstellten, sondern der Aufwand, an diese heranzukommen. Die Vielzahl an nutzbaren Fördermitteltöpfen wurde in der Abschlussdiskussion nochmal deutlich. Dass es oft an entsprechenden personellen Ressourcen in den Kommunen fehle, wurde diesbezüglich einmal mehr herausgestellt. „Es bedarf eigentlich einer Reform des Zuwendungsrechts“ - resümierte Dr. Serge Embacher vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement in diesem Zusammenhang (Abschluss).
Mit dem von Ullrich Böttinger vorgestellten Präventionsnetzwerk im Ortenaukreis (Forum 1) zeigte sich neben der Diskussionen um fehlende oder schwer erreichbare Mittel aber auch ein gutes Beispiel, wie mithilfe von Fördermitteln aus dem Präventionsgesetz das eigene Engagement auf sichere Beine gestellt werden konnte.
Abschluss
Leuchtturmprojekte, Problemlagen und wichtige Eindrücke der Satellitentagung Land in Sicht II. sind hier nur angeschnitten - die Dokumentation gibt einen spezifischen Einblick, der Besuch der Veranstaltung selbst hingegen bietet das größte Potential:
„Der Austausch, über den eigenen Tellerrand hinaus. Man muss nichts neu erfinden, oft wurde es woanders schon durchgespielt - da helfen solche Begegnungen sehr und können wertvolle Impulse liefern.“
- eine Teilnehmerin der Satellitentagung
Auch hier ist es die Begegnung, die im Vordergrund steht, um von gewinnbringenden Netzwerken, beispielhaftem Austausch und neuen Bekanntschaften profitieren zu können.
„Konkrete Themen, wie z.B. über „Dorfkümmerer“, interessieren mich sehr. Und Leute auch hier zu treffen, zu netzwerken - das bringt immer viel.“
- eine Teilnehmerin der Satellitentagung 2019
Somit gelang es der Satellitentagung auch 2019, der Vielfalt ländlicher Räume und deren Akteurinnen und Akteuren der Gesundheitsförderung eine Bühne zu geben, um deutlich zu machen, welche Potentiale diese Orte für Gesundheit und sozialen Zusammenhalt bieten. Und was bleibt hängen?
Das fragte sich auch Christoph Gilles von der Koordinationsstelle Kinderarmut im LVR-Landesjugendamt Rheinland und kam in seinem Abschlussbeitrag zu dem Schluss: Hängen bleibt das, „wo Emotionalität und Fachlichkeit zusammenkommen!“
Ein schönes Fazit, denn genau das war es, was einem an diesem Tag spürbar begegnete.