24.02.2016
Pflege ohne Obdach: Wer pflegt Herrn K.?
Wie Wohnungslosenhilfe und Pflegesystem besser kooperieren und damit obdachlosen Männern und Frauen helfen können - Neue Broschüre der Koordinierungsstelle Hamburg
Petra Hofrichter, Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Hamburg
Schlagwörter:Broschüre, Pflege, Wohnungslose
Obdachlose pflegebedürftige Menschen sind im Durchschnitt jünger, ihre Ausgangsvoraussetzungen und Bedürfnisse andere als die von Menschen mit Obdach. Auf den ersten Blick passen sie weder in das Schema der Pflegestufen noch in das Bild eines „typischen“ Heimbewohners, einer Heimbewohnerin. Es scheint schwierig, sie mit ambulanter oder stationärer Pflege zu versorgen. 2013 hatte sich der AK Wohnungslosigkeit und Gesundheit mit dem Thema Pflege und Wohnungslosigkeit befasst und zu diesem Thema eine große Fachtagung veranstaltet. Im Anschluss war den Mitgliedern des Arbeitskreises klar: dieses Thema gehört auch weiterhin auf die Agenda. Die Arbeitstreffen wurden genutzt, um Gute Praxis Ansätze kennenzulernen, aber auch Lücken zu benennen. Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung sind in die Informationsschrift „Wer pflegt Herrn K.?“ geflossen.
- Ziel dieser neuen Broschüre ist es, die Fachkräfte aus Gesundheitswesen, Pflege und Wohnungslosenhilfe für die besondere Situation von kranken, pflegebedürftigen, wohnungslosen Menschen zu sensibilisieren und Wege aufzuzeigen, wie Pflegesystem und Wohnungslosenhilfe gut zusammenarbeiten können.
Mangelnde Verzahnung von Wohnungslosenhilfe und Pflege
Noch sind sich beide Systeme eher fremd: Fachkräfte in der Wohnungslosenhilfe berichten, dass es sehr schwierig sei, obdachlose Menschen beispielsweise in reguläre Pflegeeinrichtungen zu vermitteln. Stellen sie sich im Namen ihrer Einrichtung bei Pflegediensten oder in Pflegeheimen vor, so fallen durchaus Türen zu. Zu hoch scheint die gesellschaftliche Stigmatisierung wohnungsloser Menschen zu sein.
Hinzu kommt: Eine Erhebung über den Pflegebedarf wohnungsloser Menschen gibt es nicht. Was sicher gesagt werden kann ist, dass wohnungslose Menschen überdurchschnittlich häufig an mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden und wesentlich früher sterben. Wenn sie eine öffentliche Unterbringung aufsuchen, kann ihr schlechter gesundheitlicher Zustand beobachtet werden - behandelt wird er dann noch lange nicht. Das liegt zum einen an den erkrankten Menschen selbst, an ihren hohen seelischen Belastungen, einer verzerrten Selbstwahrnehmung oder auch mangelnder Krankheitseinsicht. Zum anderen aber fehlen die passgenauen Angebote. Scham und Angst spielen dabei eine große Rolle.
Medizinische Versorgung von Wohnungslosen
Nicht zuletzt ist auch die medizinische Versorgung von Menschen, die öffentlich-rechtlich untergebracht sind, keine Selbstverständlichkeit. Sofern die Einrichtung nicht mit einem Pflegedienst oder einer Hausarztpraxis kooperiert, kann der gesundheitliche Zustand des Klienten, der Klientin nicht beurteilt werden. Die in der Einrichtung tätigen Fachkräfte sind dafür weder ausgebildet noch können sie es aufgrund des niedrigen Personalschlüssels zeitlich leisten.
Einrichtungen hingegen, die kontinuierlich mit Pflegediensten oder hausärztlichen Praxen kooperieren, können ihre Bewohnerinnen und Bewohner meist gut versorgen. Hilfreich ist auch, wenn zwischen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gut aufgebaute und lohnende Kooperationen bestehen, so dass das Krankenhaus feie Plätze im Pflegeheim belegen kann. Solche Kooperationen sind aber nach wie vor selten.
Aufbau von Kooperationen notwendig
In der Auseinandersetzung mit dem Thema „Pflege und Obdachlosigkeit“ wurde deutlich, wie wünschenswert und notwendig eine standardisierte Kooperation zwischen Wohnungslosenhilfe, Gesundheits- und Pflegesystem für eine gute pflegerische Versorgung wohnungsloser Menschen ist. Dass eine solche Kooperation möglich ist, zeigen die beschriebenen Beispiele. Sie verdeutlichen, dass beide Systeme einander brauchen und voneinander profitieren können.
- Mit der Broschüre sollen die Fachkräfte in ambulanten Pflegediensten und -einrichtungen, in der Gesundheits- und Wohnungshilfe ermutigt werden, sich für das jeweils andere System zu öffnen und gemeinsam die vorhandenen Möglichkeiten besser zu nutzen.
Hier können Sie die Broschüre "Wer pflegt Herrn K.? - Pflege ohne Obdach" herunterladen.
Weitere Broschüren der Koordinierungsstelle Hamburg zum Thema Wohnungslosigkeit und zum Thema Ernährung finden Sie hier.