21.05.2012
Plattform für Austausch, Strategien, innovative Projekte
Der 17. Kongress Armut und Gesundheit 2012 in Berlin
Marianne Pundt, bis Mitte 2013: Gesundheit Berlin-Brandenburg
Stefan Weigand, Gesundheit Berlin-Brandenburg
Schlagwörter:Armut und Gesundheit, Dokumentation, Kongresse, Prävention, Qualitätsentwicklung
Die junge Frau, die sich an einem Infostand auf dem Markt der Möglichkeiten über ein neues Projekt informiert, eine Gruppe Referent/innen, die im Anschluss an ihren Workshop noch anregend ins Gespräch vertieft ist oder der Moderator, der sich - in seine Unterlagen versunken - auf die folgende Podiumsdiskussion vorbereitet: Dies sind nur einige von zahlreichen Eindrücken vom 17. Kongress Armut und Gesundheit, der am 09. und 10. März 2012 in der Technischen Universität Berlin (TU) unter dem Motto „Prävention wirkt!“ stattgefunden hat.
Mehr als 2.200 Teilnehmende waren vor Ort
Organisiert von Gesundheit Berlin-Brandenburg und dem Zentrum Technik und Gesellschaft (ZTG) an der TU Berlin, hat der 17. Kongress Armut und Gesundheit auch dank des Engagements zahlreicher weiterer Partner und Förderer wie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in diesem Jahr mehr als 2.200 Teilnehmende aus den unterschiedlichen Arbeitsfeldern nach Berlin gelockt. Vertreter/innen aus Wissenschaft, Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, von Sozialversicherungsträgern oder Berufsverbänden waren ebenso wie Mitarbeiter/innen aus Verwaltung und Öffentlichem Gesundheitsdienst, von Armut Betroffene und Vertreter/innen von Praxisprojekten vor Ort. Neben altbekannten Gesichtern haben sich zum 17. Kongress auch viele Interessierte in der TU zusammengefunden, die zum ersten Mal dabei waren.
Auch wenn Vieles vertraut schien, war doch in diesem Jahr Einiges anders: Ein neuer Termin, ein anderer Ort - aber auch Veränderungen im Programm. Neben der neuen Gestaltung des Programmheftes fanden sich auch neue Veranstaltungsformate und -themen auf dem diesjährigen Kongress wieder.
„Im Gespräch...“ bleiben
An welchem Ort und zu welcher Jahreszeit auch immer diskutiert wird, das Thema „Armut und Gesundheit“ bleibt brandaktuell. In der Eröffnung zeigte Prof. Dr. Margaret Whitehead von der Universität Liverpool aus internationaler Perspektive auf, dass Prävention, die rein auf Aufklärung und Bildung fokussiert ist, Gefahr läuft, sozial Benachteiligte nicht zu erreichen. Umgekehrt seien jedoch auch Strategien, die sich rein auf benachteiligte Gruppen fokussieren, nicht effektiv. Whitehead forderte daher universal angelegte Strategien, die gleichzeitig auch einen großen Einfluss auf ärmere Menschen haben. Innerhalb dieser umfassenden Strategien würde auch die Effizienz der jeweiligen Einzelmaßnahme steigen.
In den darauf folgenden Symposien und Workshops wurden Strategien diskutiert, die eine wirksame Prävention für mehr gesundheitliche Chancengerechtigkeit ermöglichen: So wurde beispielsweise das Projekt Eltern-AG vorgestellt, das mit seinem niedrigschwelligen Ansatz sehr erfolgreich Eltern in schwierigen Lebenslagen und in einem anderen Forum die Delmenhorster Präventionsbausteine, die vernetzte Frühe Hilfen in Schwangerschaft und den ersten Lebensjahren ermöglichen. Insbesondere die Panels „Im Gespräch…“ boten dem Publikum die Möglichkeit, in engem Kontakt mit renommierten Expert/innen wie etwa Prof. Dr. Ilona Kickbusch zentrale Fragen zur Partizipation, Kinderarmut und globaler Steuerung der Gesundheit vertieft zu diskutieren.
Patentrezepte aus der Schublade sind keine Lösung
In den Workshops wurde deutlich, dass scheinbare Patentrezepte und fertige Programme aus der Schublade nicht immer ohne Weiteres in der Praxis wirksam werden können. So wurde in einem Workshop beschrieben, dass die erfolgreiche Umsetzung des Setting-Ansatzes in Kitas im Sinne einer partizipativ gestalteten Organisationsentwicklung neben ausreichend Zeit sowohl die Unterstützung des Trägers und der Kitaleitung bedarf als auch einer externen Begleitung, die jedoch immer an die innere Logik der Kita anknüpfen muss. Auch im kommunalen Bereich müssen beim Schnittstellen-Management die Interessen der sehr unterschiedlichen Akteure vereint werden. Komplexe Systeme und Interventionen seien in Kommunen nicht realistisch, stattdessen ginge es um den Aufbau von Netzwerken und Kooperationen. Wie ein solcher gemeinsamer Prozess auch bundesweit Wirkung entfalten kann, wenn er fachlich koordiniert wird und zentrale Akteure einbindet, wurde anhand des Partnerprozesses „Gesund aufwachsen für alle!“ diskutiert. Betont wurde hier, dass es trotz einer gestiegenen kommunalen Sensibilität für das Thema immer auch ‚Treiber’ vor Ort braucht, die den Prozess voranbringen und nachhaltig tragen.
Übergreifende Gesamtstrategie entwickeln - Aufbruch ermöglichen
Deutlich wurde auf dem Kongress, dass es nun an der Zeit ist, erprobte Ansätze in die Fläche zu bringen und die Einzelmaßnahmen in einer übergreifenden Gesamtstrategie zu bündeln. Voraussetzung dafür ist nicht nur ein Perspektivenwechsel, sondern insbesondere enge, nachhaltige Kooperationen über die unterschiedlichen Politikfelder hinaus. Der Kongress Armut und Gesundheit leistet jedes Jahr hierfür aufs Neue seinen Beitrag: Strategien und Ansätze der Prävention und Gesundheitsförderung werden gebündelt, Vertreter/innen unterschiedlicher Institutionen erhalten Anregungen für ihre Arbeit und knüpfen Kontakte, die wiederrum neue Projekte ins Leben rufen. Wir freuen uns daher, diese Arbeit auf dem 18. Kongress Armut und Gesundheit im Frühjahr 2013 in Berlin fortzusetzen.
Der Beitrag von Marianne Pundt und Stefan Weigand ist zuerst in der Ausgabe 01_2012 (PDF-Dokument, 1,2 MB) des Info_Dienst für Gesundheitsförderung erschienen. Die Publikation wird von Gesundheit Berlin-Brandenburg herausgegeben und erscheint mehrmals im Jahr in gedruckter Form. Möchten Sie den Info_Dienst kostenlos beziehen, dann schicken Sie eine E-Mail an sekretariat(at)gesundheitbb.de.