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26.10.2012

Präventionsketten in Kommunen

Maßstäbe für die erfolgreiche Verwirklichung

Gerda Holz, ehem. Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V.

Schlagwörter:Eltern, Familie, Kommunen, Netzwerk, Präventionsketten, Sozialraum

Kinder sind private und öffentliche Ver­ant­wor­tung (vgl. BMJSFJ 2002): Was die öffentliche Ver­ant­wor­tung ausmacht und was sie künftig um­fas­sen wird, da­ran wird auf kommunaler Ebe­ne zunehmend mehr und intensiver gearbeitet. Im Fo­kus steht die Neuausrichtung der lokalen Strukturen, um jun­gen Men­schen ein Aufwachsen im Wohlergehen zu si­chern. Praktische Er­fah­rung­en verbunden mit dem theo­re­tischen Kon­zept der kindbezogenen Armutsprävention, das viele Verknüpfungen zur Ge­sund­heits­för­de­rung bei so­zi­al Be­nach­tei­lig­ten kennt, lie­fern die notwendigen fachlichen Maßstäbe.

Förderung aller jungen Menschen - frühestmöglich und systematisch

Diese zielt auf die ganzheitliche Ent­wick­lung der Per­sön­lich­keit, der Fä­hig­keit­en und Kompetenzen ei­nes jun­gen Menschen ab und stellt die soziale Inklusion in den Vordergrund. Ansatzpunkte sind die Stär­ken und Po­ten­ziale. Im Mit­tel­punkt steht der junge Mensch, den es zu för­dern und zu un­ter­stüt­zen gilt. Darüber hinaus sind die Eltern/Fa­mi­lie und der So­zi­al­raum weitere Handlungsebenen. För­de­rung - frü­hest­mög­lich und sys­te­ma­tisch - umfasst Verhaltensweisen, Maß­nah­men, An­ge­bo­te und Strukturen, die die Ge­sund­heit und Bil­dung des jun­gen Menschen si­chern, in­dem ein aktives und selbstgesteuertes Erfahrungslernen in einem kindgerechten Le­bens­raum er­mög­licht wird. Darin in­te­griert sind die (Frü­he) Hilfe und der (Kinder)Schutz.

Öffentliche Verantwortung als kind-/jugendbezogene Armutsprävention

Angesichts dessen, dass hierzulande die jungen Altersgruppen seit Jahren am stärksten von Armut be­troffen sind, und angesichts dessen, dass Armut das größte Entwicklungsrisiko für junge Menschen ist, ist nicht allein Prävention sondern Armutsprävention - kind-/jugendbezogen - zu leisten. Eckpunkte da­zu sind u.a.:

  • Leitorientierung ist die Si­che­rung ei­nes „Aufwachsens im Wohlergehen“ für al­le Kinder und speziell für arme
  • Ansatzpunkte:
    • die För­de­rung von Resilienz des Einzelnen durch Stär­kung seiner personalen und sozialen Res­sour­cen so­wie
    • die Aus­wei­tung struktureller Armutsprävention durch Si­che­rung und Ge­stal­tung von kindgerechten gesellschaftlichen Rah­men­be­din­gung­en. Beides steht in wechselseitigem Be­zug zu­ei­nan­der und zeichnet sich den­noch durch eigene Schwerpunkte aus
  • Strukturformen: Präventionsketten auf der Ba­sis von Präventionsnetzwerken
  • Handlungsform: abgestimmte Ko­o­pe­ra­ti­on zwi­schen unterschiedlichen Akteuren, d. h. Or­ga­ni­sa­tio­nen, Institutionen, Professionen, Bür­ger­schaft usw.

Grundlagen präventionsfördernder Strukturen vor Ort

Anforderungen sind unter anderem:

  • frü­hest­mög­lich beginnen
  • Eltern und Fa­mi­lie sind die ersten Ansprechpartner
  • Entwicklungsmöglichkeiten für Bil­dung und Ge­sund­heit sichern
  • Lebenswelt der jun­gen Menschen ein­be­zie­hen, Teil­ha­be sowie In­te­gra­ti­on/Inklusion sichern
  • Fä­hig­keit­en und Stär­ken der Kinder/Ju­gend­li­chen er­ken­nen und einsetzen
  • vielfältige außerfamiliäre An­ge­bo­te in den Bereichen Bil­dung, Er­zie­hung, Be­treu­ung und Be­ra­tung zur Verfügung stellen
  • bedürfnis- und bedarfsgerechte Förderangebote in gemeinsamer Ver­ant­wortung der Träger und Fach­kräfte des Bil­dungs-, Sozial- und Ge­sund­heitswesens entwickeln
  • Politik und Verwaltung in den Kom­mu­nen, den Bundesländern und auf Bun­des­ebe­ne auf prä­ven­tiv wirkende gesellschaftliche Rah­men­be­din­gung­en hinweisen

Präventionsketten sichern durchgängige Förderung und Unterstützung

Die Präventionskette wird durch al­le zur Er­rei­chung des jeweiligen Präventionsziels verantwortlichen öf­fent­li­chen und ge­sell­schaft­li­chen Akteuren ge­bil­det. Sie dient da­zu, voneinander ge­trennt er­brach­te Leis­tung­en und An­ge­bo­te auf­ei­nan­der abzustimmen und zu ko­or­di­nie­ren. Dies gelingt nur, wenn ge­mein­sa­me, über­grei­fen­de Leit- und Handlungsziele verfolgt und im konkreten Leis­tungs­pro­zess um­ge­setzt wer­den. Eine kind-/jugendbezogene (Armuts-)Prä­ven­tionskette ist biographisch angelegt und da­rauf aus­ge­rich­tet, jun­gen Menschen ei­ne fördernde Be­glei­tung von der Ge­burt bis zum erfolgreichen Be­rufs­einstieg - je nach Be­darf und zu jedem möglichen Zeit­punkt - zuzusichern. Entscheidend ist, zu­sätz­lich zum elterlichen En­ga­ge­ment, ei­ne be­darfsorientierte, passgenaue und verlässliche Be­glei­tung. So wird ein fließender Über­gang in der Ver­knüp­fung von gesundheitlicher För­de­rung, psychosozialen so­wie erzieherischen Hilfen und Bil­dungs­angeboten für die Kinder mit den Mög­lich­keit­en der Be­glei­tung der Eltern gestaltet. Nicht das Leis­tungs­spek­trum ei­nes einzelnen Dienstes ist ent­schei­dend, son­dern das abgestimmte Ge­samt­kon­zept al­ler Unterstützungsangebote. Aber: Jedes einzelne Ket­ten­glied braucht eigene Res­sour­cen zur Steu­e­rung und Wahr­neh­mung sei­ner Auf­ga­ben.

Präventionsketten können nur durch Netzwerke funktionieren, die Produkte schaffen

Netzwerke kön­nen als formelle oder informelle Akteursbeziehungen mit un­terschiedlichen wech­sel­sei­ti­gen In­te­res­sen verstanden wer­den, die sich auf ein gemeinsames Problem (ei­ne Auf­ga­be) fo­kus­sie­ren. Sie stre­ben ein „Kollektivgut“ an. Sie agie­ren un­ter Bei­be­hal­tung der Au­to­no­mie der Akteure, ih­re grund­le­gen­de Handlungslogik ist Verhandlung. Es ar­bei­ten al­le Akteure zu­sam­men - jen­seits traditioneller Tren­nung­en zwi­schen Berufsgruppen und Funktionen, Ämtern, In­sti­tu­tio­nen, Organisationen usw. We­sent­li­cher Mo­tor ist der/die Netzwerker/-in mit der Schlüs­sel­funk­tion ei­ner zentralen Schalt­stel­le und Auf­ga­ben wie Kommunikationsmanagement, Ko­or­di­na­ti­on, Mo­de­ra­ti­on und Impulsgebung. Netzwerke füh­ren Viel­falt zu­sam­men, bün­deln und nut­zen die sich so er­ge­ben­den Mög­lich­keit­en für praxisnahe und be­darfs­ge­rech­te Aktivitäten. Sie sind Pro­duk­tions­netz­wer­ke (vgl. Reis et al. 2010) mit ge­mein­sa­men Pro­duk­ten. Das kann z.B. der Be­grü­ßungs­be­such nach der Ge­burt verknüpft mit be­darfs­ge­rech­ten An­ge­bo­ten für die „Neueltern“ sein oder ei­ne Ket­te der Ge­sund­heits­för­de­rung von be­nach­tei­lig­ten Kin­dern durch KiTas, Schulen, soziale Dienstleister und In­iti­a­ti­ven.

Präventionsnetzwerke brauchen die Steuerung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit

Netzwerke haben aber auch von ihrer Struk­tur her die Tendenz, sich zu verselbständigen und da­durch die ursprüngliche - gemeinsame - Zielidee aus dem Blick zu verlieren. Sie brau­chen da­her ei­ne Steu­e­rung. In kommunalen Netzwerken ist dies im­mer die Kom­mu­ne. So obliegt dem Ju­gend­amt per Ge­setz die  Gesamtverantwortung für die Maß­nah­men der Kinder- und Jugendhilfe (§§ 79, 80 SGB VIII). Aber auch an­de­re Ämter kön­nen die Steu­e­rung si­chern, doch oh­ne die Kinder- und Jugendhilfe geht es nie. Unersetzlich ist die verbindliche Zu­sam­men­ar­beit auf gleicher Augenhöhe mit den frei­en Trä­gern/Dienst­leis­tern. Netzwerksteuerung geschieht als Ko­or­di­na­ti­on quer zu bestehenden Hierarchien und zu Ar­beits­feldern und Ressorts. Sie basiert auf Verhandlung, Ab­stim­mung und Ko­o­pe­ra­ti­on und stärkt de­zentrales Handeln der Part­ner. Die vertrauensvolle Zu­sam­men­ar­beit ist der Schlüs­sel zum Er­folg, sie ist er­lern­bar und be­stän­dig zu le­ben.


Dieser Bei­trag ist zu­nächst in der Aus­ga­be 02/2012 der Zeit­schrift Stadtpunkte der Hamburgischen Ar­beits­ge­mein­schaft für Ge­sund­heits­för­de­rung erschienen.

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