24.04.2012
Qualitätsinstrumente in Prävention und Gesundheitsförderung
Ein Leitfaden für Praktikerinnen und Praktiker in Nordrhein-Westfalen
Nicole Tempel, Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e.V.
Petra Kolip, Universität Bielefeld
Manfred Dickersbach, bis März 2021: Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen
Schlagwörter:Evaluation, Leitfaden, Praxis, Qualität
Fragen zur Qualitätsentwicklung von Projekten in der Gesundheitsförderung und Prävention sind in den vergangenen Jahren für unterschiedlichste Akteursgruppen zunehmend bedeutsam geworden. Geldgeberinnen und Geldgeber wollen in diesem Zusammenhang ihre Ressourcen in gut gelingende Projekte investieren und auch Praktikerinnen und Praktiker haben den Anspruch, ihre Projektvorhaben erfolgreich umzusetzen. Die Diskussion rund um das Thema Qualität geht gleichzeitig einher mit der Entwicklung von Qualitätsinstrumenten, die eine konkrete Unterstützung bei der Umsetzung „guter“ Projekte darstellen sollen. Allerdings ist es gerade für Einsteigerinnen und Einsteiger nicht immer leicht, sich einen Überblick über die vorhandenen Instrumente zu verschaffen und passende Instrumente für die eigenen Fragestellungen und Anliegen auszuwählen.
So treten bereits zu Projektbeginn zahlreiche Fragen auf: Welche Qualitätsdimensionen und -aspekte sind in der Gesundheitsförderung überhaupt relevant? Wie kann es gelingen, „gute“ Projekte zu konzipieren (und was macht überhaupt ein „gutes“ Projekt aus)? Worauf muss bei der Antragstellung geachtet werden? Wie werden Ziele formuliert? Wie können Projekte kleinschrittig geplant werden, ohne dabei das übergeordnete Ziel aus den Augen zu verlieren? Welche Aspekte sind für die Evaluation des Projekts relevant? Und nicht zuletzt die zentrale Frage: Was leisten in diesem Zusammenhang die bereits vorhandenen Instrumente zur Qualitätsentwicklung? Vor allem die letztgenannte Frage wird in dem Leitfaden aufgegriffen. Er möchte interessierten Akteuren einen Einstieg in das Thema Qualitätsentwicklung ermöglichen und sie darin unterstützen, das jeweils für ihre Fragestellung geeignete Qualitätsinstrument zu finden.
In dem Leitfaden erfolgt zunächst eine Auseinandersetzung mit dem Begriff „Qualität“. Dabei werden u.a. die Qualitätsdimensionen Planungs-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität beleuchtet sowie die Konzepte Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement und Qualitätsentwicklung voneinander abgegrenzt. Um auch die Perspektive von Geldgeberinnen und Geldgeber aufzuzeigen, werden zudem Anforderungen an Qualität aus Sicht von Krankenkassen dargestellt. Speziell für Praktikerinnen und Praktiker aus Nordrhein-Westfalen werden darüber hinaus Qualitätskriterien benannt, die Akteure im Rahmen des „Präventionskonzepts NRW“ in ihrer Arbeit vor Ort unterstützten können.
Für eine erste Orientierung, welche Qualitätsinstrumente es gibt und in welchen Projektphasen sie jeweils Unterstützung leisten können, finden Praktikerinnen und Praktiker nach dieser Einführung einen tabellarischen Überblick zu den zehn ausgewählten Qualitätsinstrumenten, die im Leitfaden näher beschrieben sind (s. Tabelle). Dabei können sie an dieser Stelle eine Antwort auf die folgenden Fragen finden:
- Welche anerkannten und gut zugänglichen Qualitätsinstrumente gibt es?
- Mit welchen Instrumenten kann eine interne bzw. externe Bewertung erfolgen?
- Welche Qualitätsdimensionen stehen im Fokus der einzelnen Instrumente?
- Welche Kosten fallen für die Nutzung des Instruments an?
- Und wie aufwändig ist eine Einarbeitung in das jeweilige Instrument (gering, mittel, hoch)?
Für eine weiterführende Einschätzung sowie Eingrenzung der Instrumente dienen daraufhin Kurzbeschreibungen. Den eigentlichen Kern des Leitfadens bilden letztlich standardisiert aufgebaute sowie ausführlich beschriebene Steckbriefe, in denen die Instrumente vertiefend und vor dem Hintergrund des Entwicklungskontextes dargestellt werden. Praktikerinnen und Praktiker finden ebenfalls Informationen, an welche Zielgruppe sich das Instrument richtet und welche Voraussetzungen mit einer Anwendung einhergehen. Um den Nutzen für die eigene Projektarbeit einschätzen zu können, werden Chancen sowie Vorteile und Stärken, aber auch Nachteile und Schwächen erörtert. Nicht zuletzt finden sich in den Steckbriefen Angaben zum Aufwand in die Einarbeitung des Instruments. Praktikerinnen und Praktiker, die sich vertiefend mit den ausgewählten Qualitätsinstrumenten auseinandersetzen möchten, können die weiterführenden Literatur- und Internetangaben sowie die Angaben zu den Ansprechpartnerinnen und -partnern nutzen. Der einheitliche Aufbau der Steckbriefe ermöglicht einen Vergleich der vorhandenen Qualitätsinstrumente sowie eine erste Einschätzung, inwieweit das gewählte Instrument für die eigene Arbeit nützlich ist.
Qualitätsinstrumente der Gesundheitsförderung und Prävention im Überblick
Name | Kurzbeschreibung |
Evaluationstools | Internetseite, auf der sich Instrumente zur Evaluation bewegungs- und ernährungsbezogener Interventionen sowie eine Einführung in die Prinzipien der Evaluation finden |
Gemeindenahe Gesundheitsförderung | Schriftliche Schritt-für-Schritt-Anleitungen zur Programmplanung und zur Aufrechterhaltung von Strukturen und Partnerschaften |
GAS - Goal AttainmentScaling | Verfahren zur Definition von Zielen und des Grades der Zielerreichung |
Good Practice Kriterien | Katalog mit 12 Kriterien zur Selbstreflexion eigener Stärken und Schwächen |
KEQ - Kapazitätsentwicklung im Quartier | Fragebogen zur Erfassung der Kapazitätsentwicklung vor Ort (Selbstbeurteilungsverfahren) |
Partizipative Qualitätsentwicklung | Methodenkoffer mit Verfahren zur gleichberechtigten Einbindung aller an einer Intervention Beteiligten |
QIP - Qualität in der Prävention | Benchmarking-Verfahren (externe Beurteilung durch geschulte Experten) auf der Grundlage eines auszufüllenden Dokumentationsbogens |
UiG - Qualitätszirkel in der Gesundheitsförderung und Prävention | Regelmäßiger, moderierter Austausch des beruflichen Handelns |
Quintessenz | Umfassendes internetbasiertes Qualitätsmanagementsystem, das Projektmanagement mit Qualitätskriterien verbindet und eine Vielzahl, auch einzeln nutzbarer Instrumente bereit hält |
Selbstevaluation | Schriftlicher Leitfaden, vor allem zur Dokumentation und Evaluation |
In Nordrhein-Westfalen werden Workshops zu einzelnen im Leitfaden beschriebenen Qualitätsinstrumenten angeboten. Die Veranstaltungen sind stark nachgefragt (auch und gerade von erfahrenen Praktikerinnen und Praktikern) und müssen z.T. mehrfach wiederholt werden. Dies ist nur ein Indiz für den nach wie vor hohen Bedarf an Fortbildung und praktischer Unterstützung in Sachen Qualität in der Gesundheitsförderung. Der Leitfaden versteht sich hier als einführendes Angebot - weitere Maßnahmen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene sind erforderlich.