22.12.2017
Ressortübergreifende Zusammenarbeit kommunaler Akteur*innen am Beispiel des Landkreises Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg
Schlagwörter:Health in all Policies, Jugendliche, Kinder, Kommunen, Partnerprozess, Präventionsketten
Voraussetzung einer „Gesundheit für alle“ sind Ansätze, die sektorenübergreifend ausgerichtet sind und unterschiedliche Arbeitsbereiche verbinden. „Health in All Policies“ ist dafür ein Leitmotiv der WHO und zu verstehen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin (OPR) ist im bundesweiten kommunalen Partnerprozess „Gesundheit für alle“ seit 2016 offiziell Partnerkommune. Vor diesem Hintergrund heißt Gesundheitsförderung, Ressourcen und Kompetenzen zu stärken und gesundheitliche Belastungen zu vermindern. In den alltäglichen Lebenswelten der Menschen, den konkreten Wohn-, Arbeits- und Lebensbedingungen, liegen vielfältige Potenziale hierfür. Auch die gesundheitsgerechte Gestaltung biografischer Übergänge (zum Beispiel der Übergang von Kita zu Schule oder ins Berufsleben), das heißt die Orientierung am Lebensverlauf, ist hierbei von Bedeutung. Für eine gesunde Entwicklung von und für Kinder und Jugendliche sorgen Angebote und Aktivitäten von Akteuren verschiedenster Ressorts und Institutionen innerhalb der kommunalen Verwaltung sowie innerhalb des Landkreises. Diese über kommunale Ressorts hinweg zu bündeln, Handlungsfelder zu verknüpfen und auf ein gemeinsames Ziel hin auszurichten, ist zentrales Charakteristikum und Basis einer „Präventionskette“.
Hintergrund
Seit 2015 wird im Landkreis OPR eine Präventionskette für Kinder und Jugendliche aufgebaut. Initiiert wurde dieser Prozess vom Amt für Familien und Soziales (bis 10-2017 Jugend-Betreuungsamt). Gleichzeitig wollten sie damit die Aufgabe der Stabsstelle Kinderschutz in Hinblick auf die geforderte Vernetzung im Landkreis unterstützen. Das seit längerem bestehende Interesse des Landkreises OPR, das Präventionsprogramm (MEA - Gewaltprävention in Kita und Schule) zu etablieren, sollte - wenn möglich - mit dem Aufbau einer Präventionskette verbunden werden. Im Rahmen der Beratung durch die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Brandenburg in 2015 und 2016 konnte in OPR eine regionale „Steuerungsgruppe“ in der Stadt Kyritz und ein prioritäres Handlungsfeld „Sprachförderung“ etabliert werden. Die Gruppe einigte sich auf das Setting „Kommune“ und entwickelte ein gemeinsames Leitbild „Sprachkompetente Kinder in Kyritz“. In einem weiteren Schritt wurden wichtige Partnerinnen und Partner sowie vorhandenen Projekte/Programme in Kyritz erfasst. Die „Steuerung“ wurde an die Stabsstelle Kinderschutz im Amt für Betreuung und Jugendhilfe angedockt.
Kommunaler Kinderschutz
Mit der Einführung des Bundeskinderschutzgesetzes wurde der Auftrag an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe deutlich erweitert:
- Aufbau- und Weiterentwicklung von Netzwerkstrukturen
- Beratungsleistung nach dem § 4 KKG, § 8 b SGB VIII, § 16 SGB VIII
- Einsatz von Familienhebammen
- Stärkung der Erziehungs- und Beziehungskompetenzen der Eltern
- Schulung von Fachkräften
- verstärkte Zusammenarbeit von Leistungserbringenden und Institutionen
- Abstimmung von Angebots- und Aufgabenspektren
- Klärung struktureller Fragen der Angebotsgestaltung und -entwicklung
weitere Punkte:
- Frühe Hilfen
- Evaluation
- flächendeckende Angebote und Vernetzung
- Schaffung von verbindlichen Standards zum präventiven und reaktiven Kinderschutz
Dem Jugend- und Betreuungsamt kommt bei der Ausgestaltung des kommunalen Kinderschutzes eine besondere Verantwortung zu. In OPR sind dazu bereits qualifizierte Verfahrensstandards entwickelt worden. Hier kommt allen Bereichen, jedoch speziell dem Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD), eine entscheidende Rolle zu. Basis für den Kinderschutz sind u. a. funktionierende Netzwerke auf Ebene der Sozialräume. In diesem Rahmen sind neben den Fachkräften der Jugendhilfe und den Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen auch die Regeleinrichtungen wie Kindertageseinrichtungen und Schulen wichtige Partner. Perspektivisch ist darauf zu achten, dass der ASD nicht auf einen „Kinderschutz Interventions-Dienst“ reduziert wird, sondern sein breites Aufgabenprofil behält. Kein anderer Dienst hat in vergleichbarer Weise den Gesamtzusammenhang von Lebens- und Problemlagen aller jungen Menschen und Familien in bestimmten sozialräumlichen Kontexten im Blick.
Dieser Gesamtblick ist auch für einen früh ansetzenden Kinderschutz unerlässlich. Ein qualifizierter Kinderschutz baut auf ein vorhandenes Netz von vielfältigen Angeboten auf. Werden Hilfebedarfe „früher“ und bei mehr Familien aufgedeckt, dann ist ein Mehrbedarf an qualifizierten Angeboten die Konsequenz. Der Kinderschutz enthält die primäre, sekundäre und tertiäre Prävention. In diesem Rahmen gilt es durch die einzelnen Bereiche des Amtes bedarfsorientierte Angebote abzustimmen und vorzuhalten. Die interne Schnittstellenbetrachtung spielt hierbei eine wesentliche Rolle und ist zukünftig weiterzuentwickeln.
Schnittstellen zum Öffentlichen Gesundheitsdienst
Die Schnittstelle zwischen der Jugendhilfe und der Gesundheitshilfe wurde in den letzten Jahren weiter ausgebaut. Eine intensive Zusammenarbeit erfolgt mit der Familienservicestelle und deren Angebotsspektrum, mit der Frühförderstelle sowie dem Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst und bei Bedarf mit Einrichtungen und Institutionen des Gesundheitswesens. Im Rahmen des präventiven Kinder- und Jugendschutzes gilt es künftig Entwicklungspotentiale durch bessere Vernetzung, Kooperation und Steuerung zu nutzen, z. B. eine bessere Verzahnung des Netzwerkes Gesunde Kinder mit den weiteren Angeboten der Frühen Hilfen (Jugendförderplan 2015).
Präventionsforum Ostprignitz-Ruppin
Im Jahr 2017 hat der Landkreis die kleinräumige Präventionskette weiterentwickelt. In einer landkreisweiten Allianz für Lebenskompetenz haben Akteure aus unterschiedlichen Bereichen das Präventionsforum Ostprignitz-Ruppin entwickelt. Gemeinsam mit vielen Akteuren - innerhalb und außerhalb der kommunalen Verwaltung - möchten die Beteiligten im Landkreis die gesunde Entwicklung und Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen fördern. Das Präventionsforum selbst dient als Plattform zur Vernetzung, Koordination und Synchronisation relevanter Handlungsfelder unter dem Vorsitz der Dezernentin für Gesundheit und Soziales.
Bestehende Netzwerke wie beispielsweise Frühe Hilfen, Kinderschutz, EBEN MEA-Prävention, Netzwerk gesunde Kinder, Netzwerke mit freien Trägern (AG 78 HzE, Jugendarbeit) sowie Netzwerke im Rahmen der sozialen Stadt (kommunal) werden integriert. Durch die Koordination sollen Doppelstrukturen vermieden und eine nachhaltige bedarfsorientierte Förderung gewährleistet werden. Deshalb werden bestehende Angebote und Anbieter erfasst und aufeinander abgestimmt, AG‘s koordiniert und weiterentwickelt, die Vernetzung innerhalb der Kommunen und Sozialräume gefördert sowie Kooperationen mit freien Trägern und Institutionen auf- und ausgebaut.
Am 28.11.2017 fand in Neuruppin eine landkreisweite regionale Partnerkonferenz unter dem Titel „Vom Nebeneinander zum Miteinander - Gesunde Entwicklung für Kinder und Jugendliche von 0 bis 21 Jahren gemeinsam gestalten“ statt. Ziel der Partnerkonferenz war es, - im Landkreis und vor Ort - ein Sektoren und Ressorts verbindendes Selbstverständnis zu etablieren und zugleich den Weg dafür zu ebnen, die kreisweite tragfähige Plattform des Präventionsforums verantwortungsvoll, bedarfsgerecht und vor allem GEMEINSAM zu gestalten.
Im Rahmen der Veranstaltung, die vom Landrat und Bürgermeister der Stadt Neuruppin eröffnet wurde, haben viele Akteure aus unterschiedlichen Bereichen einen breiten Dialog in Gang gesetzt. Gefragt wurde z. B., was es braucht, um ressortübergreifend zusammenzuarbeiten. Hierbei stand die Gestaltung einer bereichsverbindenden landkreisweiten Zusammenarbeit im Vordergrund.
Die Dokumentation der Partnerkonferenz vom 28.11.2017 finden Sie hier.
Der Landkreis hat sich im Rahmen des TK-Förderprogrammes „Gesunde Städte und Regionen - Prävention kommunal“ für eine Förderung der bevorstehenden strukturellen Verankerung und weiteren Etablierung der Präventionskette beworben. Die KGC Brandenburg wird diesen Prozess weiterhin begleiten und unterstützen.
Fotoquelle: Fotograf Schellhorn