24.09.2014
Richtungsweisend in Essen
Interkulturelle Gesundheitslotsinnen und -lotsen (IGlo)
Yasemin Akinci , NEUE ARBEIT der Diakonie Essen gGmbH
Schlagwörter:Gesundheitsbewusstsein, Gesundheitskompetenz, Interkulturalität, Migration
Ausgangslage
Das deutsche Gesundheitssystem gilt als eines der besten der Welt. Zugleich besteht das System der Krankenversicherung in Deutschland aus einem außerordentlich komplexen Geflecht und ist nicht für alle Menschen gleichermaßen transparent. Gerade Menschen mit Migrationshintergrund - insbesondere neu zugewanderte Migrantinnen und Migranten - kennen sich kaum aus. Sie nehmen seltener Versorgungsleistungen oder Präventionsprogramme in Anspruch und profitieren somit von den Gesundheitsangeboten nur unzureichend. Hinzu kommen sprachliche und kulturelle Zugangsbarrieren, die eine optimale Nutzung sowie Kenntnissammlung über das breite Spektrum von Angeboten im Gesundheitsbereich erschweren. Zum Teil haben sie auch ein anderes Krankheits- bzw. Gesundheitsverständnis, was den Zugang zum Gesundheitssystem zusätzlich erschwert.
Die gesundheitliche Situation von Menschen mit Migrationshintergrund ist im Hinblick auf die demographische Entwicklung in Deutschland ein zentrales Aufgabenfeld. Die gleichberechtigte Teilhabe von Migrantinnen und Migranten im hiesigen Gesundheitssystem ist von zentraler Bedeutung. In der Stadt Essen haben über 23 Prozent der ca. 580.000 Einwohnerinnen und Einwohner eine Zuwanderungsgeschichte. Es leben Menschen aus über 160 Nationen in der Stadt Essen.
Das Gesundheitsangebot von IGlo
Unter Berücksichtigung der sprachlichen, kulturellen sowie migrationsbedingten Aspekte ist das Angebot IGlo - interkulturelle Gesundheitslotsinnen und -lotsen sind richtungsweisend in der Stadt Essen initiiert worden.
Die NEUE ARBEIT der Diakonie Essen gGmbH führt seit dem Jahre 2005 das Gesundheitsangebot IGlo durch (weiterentwickelt aus dem MiMi Projekt - Mit Migranten für Migranten - interkulturelle Gesundheit in Deutschland des Ethno - Medizinischen Zentrums e.V. Hannover). Gemeinsam mit den Projektpartnern, bestehend aus dem Gesundheitsamt der Stadt Essen, dem kommunalen Integrationszentrum, der NOVITAS BKK, der AOK Rheinland/Hamburg und der BARMER, leistet das Angebot einen wesentlichen Beitrag zur gesundheitlichen Situation von Migrantinnen und Migranten. Die NEUE ARBEIT der Diakonie Essen ist für die Koordinierung des Angebots zuständig.
Ziel des Angebots ist es, die Eigenverantwortung von Menschen mit Migrationshintergrund zu stärken und langfristig einen Beitrag zur Reduzierung ungleicher Gesundheitschancen zu leisten. In erster Linie geht es darum, Informationslücken verschiedener Migrantengruppen zu Gesundheitsthemen zu schließen und Zugänge zum deutschen Gesundheitswesen zu öffnen. Somit soll eine gesunde Lebensweise gefördert werden.
Um dies zu erreichen wurden in der Stadt Essen im Jahre 2005 elf Menschen mit Migrationshintergrund zu interkulturellen Gesundheitslotsinnen und -lotsen ausgebildet. Sie wurden befähigt, Männer und Frauen mit Zuwanderungsgeschichte kultursensibel und in ihrer Muttersprache über Gesundheitsthemen zu informieren.
Die Auswahl der Lotsinnen und Lotsen fand unter Berücksichtigung folgender Kriterien statt: Zum einen mussten sie über sehr gute Deutschkenntnisse und ein hohes Bildungsniveau verfügen. Zum anderen müssen sie engagiertsein und innerhalb ihrer Community eine sogenannte Schlüsselfunktion haben.
Nach der Auswahl wurden sie im Rahmen einer einjährigen Schulung zu vielseitigen Gesundheitsthemen geschult und auf ihren Einsatz als interkulturelle Gesundheitslotsinnen und -lotsen vorbereitet. Durch praktische Übungen wurden sie befähigt, Informationsveranstaltungen in ihrer jeweiligen Muttersprache in Migrantenselbstorganisationen, Schulen, Kindertagesstätten, Frauengruppen, Bürgerzentren und weiteren Gruppierungen innerhalb ihrer Community durchzuführen. Diese finden in den unmittelbaren Lebensräumen der Zielgruppe statt und schließen vorhandene Informationslücken.
Gleichzeitig sind die interkulturellen Gesundheitslotsinnen und -lotsen befähigt worden, sich aus eigener Initiative verantwortungsbewusst für ihre eigene Gesundheit und die anderer Menschen mit Migrationshintergrund einzusetzen. Dadurch soll auch bei diesen das Bewusstsein und die Eigenverantwortung für ihre Gesundheit gestärkt und gefördert werden. Im Rahmen der Veranstaltungen wurde das Interesse der Migranten und Migrantinnen für Gesundheitsförderung und Prävention geweckt und erhöht.
Die Informationsveranstaltungen werden häufig von Fachkräften aus dem Gesundheitssystem begleitet. Zu dem Pool der Fachkräfte gehören Hebammen, Ärzte, Homöopathen, Krankenschwester u.v.m. Gemeinsam mit den Fachkräften werden die Teilnehmenden im Rahmen der Veranstaltungen motiviert, die Angebote der Regelversorgung in Anspruch nehmen und somit ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen.
Das IGlo Angebot richtet sich vorrangig an Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, die eine der folgenden Sprache sprechen: Arabisch, Englisch, Französisch, Persisch, Russisch, Lingala, Kikongo, Türkisch und Deutsch.
Die Themenbereiche von IGlo
Die Lotsinnen und Lotsen vermitteln ihr Wissen in folgenden Themenbereichen:
- Das deutsche Gesundheitssystem
- Seelische Gesundheit
- Seelische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen
- Ernährung und Bewegung
- Vorsorge und Früherkennung
- Schwangerschaft und Familienplanung
- Kindergesundheit und Unfallprävention
- Erste Hilfe bei Kindern
- Umgang mit Medikamenten
- Alter, Pflege und Gesundheit
- Gesunde Zähne und Mundgesundheit
- Brustkrebsfrüherkennung und -behandlung
Fazit
Der Weg, Migrantinnen und Migranten in ihrem Lebensumfeld über Gesundheitsthemen zu informieren, hat sich als sinnvoll und zielführend herausgestellt. Es zeigt sich, dass Informationen in den jeweiligen Herkunftssprachen notwendig sind. Bisher konnten über 1.000 Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in den Informationsveranstaltungen erreicht werden, die in Migrantenvereinen, Kitas, Schulen, Frauengruppen Moscheevereinen u.v.m. stattfinden. Die Veranstaltungen werden von Teilnehmenden unterschiedlicher Generationen und Altersgruppen wahrgenommen.
Die Lotsinnen und Lotsen sind zentrale Wegweiser und bieten Migrantinnen und Migranten eine Orientierung im Gesundheitssystem.
Den Projektflyer von IGlo können Sie hier als PDF-Datei herunterladen.
Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite der NEUEN ARBEIT Diakonie Essen (externer Link).