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22.09.2022

Soziale Ungleichheit bedroht Demokratien von innen

Gerhard Trabert, Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.

Schlagwörter:Armut

Wir dokumentieren hier die Ansprache von Prof. Dr. Trabert zum Carola Gold-Symposium am 20. September 2022 in Berlin:

In der Gegenwart etwas zum Thema Armut, soziale Ungleichheit in unserer reichen Gesellschaft zusagen, bedeutet natürlich auch immer parallel die Kriegsgefahr, den Angriffskrieg Russlands in der Mitte Europas mitzudenken.

Militärische Aufrüstung mag notwendig sein, um sich gegenüber Diktatoren und Despoten wehren zu können und Demokratien zu verteidigen. Mehr Ausgaben in diesem Kontext sind eventuell auch notwendig. Ich war zu oft in Bürgerkriegs- und Kriegsregionen als Arzt tätig und musste erfahren, dass gerade die Zivilbevölkerung nur dadurch etwas geschützt werden kann, gegenüber der Gewalt durch einen Aggressor, einen Despoten, wenn man ihm in der Akutphase eines Krieges mit einem militärischen Gegengewicht begegnet.

Rüstungsausgaben ins Grundgesetz zu schreiben, ist allerdings höchst fragwürdig. Dann fordere ich auch die Festsetzung von finanziellen Mittel im Grundgesetz zur gesellschaftlichen Realisierung von sozialer Gerechtigkeit und damit Armutsbekämpfung.

Natürlich müssen Wirtschaftsunternehmen, insbesondere die Rüstungsindustrie, die von dieser militärischen Aufrüstung profitieren, eine Solidaritätsabgabe an den Staat zahlen, und natürlich muss eine Übergewinnsteuer, eine Zufallsgewinnabgabe, wie auch immer man sie nennen mag, erhoben werden, damit die Sicherung der Demokratie vor äußeren Aggressoren nicht zu einem sozialen Unfrieden innerhalb dieser Demokratie führt. Diese Gelder müssen insbesondere den Menschen zu Gute kommen, die schon in der Pandemie und davor ausgegrenzt, sozial benachteiligt und von Armut betroffen waren und sind.

Nie wieder dürfen wir wegschauen, wenn es um Unrecht und soziale Unterdrückung und Stigmatisierung geht!

Wegschauen vor zunehmenden sozialen gesellschaftlichen Verwerfungen hält die Glut des Unrechts am Glimmen. Sie bringt uns selbst ins Ungleichgewicht. Die Glut wird dann vom Sauerstoff-Cocktail des Ignorierens, des Tolerierens von Benachteiligung und Ausgrenzung weiter entfacht. Aus der Glut wird ein Feuer, aus dem Feuer ein Brand, aus dem Brand eine Feuerwalze, die Demokratien im Inneren destabilisiert. Wir Bürger*innen, als die wichtigsten Protagonisten einer demokratischen Gesellschaft, leben von Begegnung, von Beziehung, von Mitgefühl und Empathie aber auch von konkretem praktischen Handeln.

Deshalb dürfen wir nie mehr wegschauen, aus einer tief empfundenen Solidarität und der Verinnerlichung der essentiellen und existentiellen Notwendigkeit der Realisierung der Menschenrechte für jede und jeden.

Faktencheck:

2021 waren 16,6 % der Menschen in Deutschland von Einkommensarmut betroffen, das entspricht 13,8 Millionen Menschen.

2019 lag die Armutsquote bei 15,9 %, entsprechend ist die Armut um 0,7 Prozentpunkte angestiegen.

Zu den besonders von Armut betroffenen Menschen gehören Alleinerziehende (zu 88 % Mütter) mit 41,6 % sowie jeder dritte Haushalt mit drei und mehr Kindern ist ebenfalls von Einkommensarmut betroffen.

Mehr als 1/3 der Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind arm.

Jedes fünfte Kind ist in Deutschland von Armut betroffen.

Die Armutsquote bei den über 65-jährigen steigt stetig an und liegt derzeit bei 17,4 %. Altersarmut betrifft überwiegend Frauen.

Immer wieder wird von neoliberalen Kreisen suggeriert, dass Armut ausschließlich mit einem niedrigen Qualifikationsgrad einhergeht.

Der Armutsbericht 2022 des Paritätischen Gesamtverbandes zeigt in seiner Analyse allerdings, dass die Hälfte aller von Einkommensarmut Betroffenen ein mittleres Qualifikationsniveau aufweist, 13,5 % sogar ein hohes Bildungsniveau. Ein Migrationshintergrund ist zwar ein Aspekt, der mit einer höheren Verarmungsquote verbunden ist, allerdings muss auch festgestellt werden, dass drei Viertel aller Armutsbetroffenen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (Paritätischer Gesamtverband, 2022).

Die Sprache gibt häufig den ersten Hinweis auf Stigmatisierungstendenzen.

Aussagen wie: „Frieren für den Frieden!“ sind arrogant, ignorant und zynisch. Denn es werden die Menschen in unserer Gesellschaft frieren, die schon jetzt am stärksten unter der sozialen Ungleichheit und den strukturellen Fehlern, die Armut entstehen und manifestieren lassen, leiden. Erhöhte Energiekosten, Mietkosten, Lebensmittelkosten aufgrund einer deutlich erhöhten Inflationsrate führen insbesondere bei von Armut betroffenen bzw. gefährdeten Menschen zu einer Verschlechterung ihrer Lebenssituation. Hier muss schnell und entschlossen gehandelt werden. Das heißt konkret, dass die Bundesregierung den Hartz IV-Satz sofort um mindestens 200 € pro Monat erhöhen und zusätzlich finanzielle Unterstützungen bezüglich der Bezahlung von Energie- und Stromkosten gewähren muss. Wer sofort 100 Milliarden € für Aufrüstung zur Verfügung hat, um unsere Demokratie von außen zu schützen, hat auch das Geld, um unsere Demokratie von innen zu schützen.

Denn Menschen, die sich nicht mehr gewertschätzt und respektvoll behandelt sehen, und dies zeigt sich in einer ausreichenden finanziellen Unterstützung, was die Partizipationsmöglichkeiten in dieser Gesellschaft angeht, und einer authentisch gelebten würdevollen und respektvollen Sprache, werden für Agitationen gegen und Infragestellung von dieser unserer Demokratie, nachvollziehbarer Weise, empfänglicher sein. Genau dies geschieht u.a. durch rassistische, rechtspopulistische politische Strömungen in Deutschland, u.a. durch die AfD. Und dies destabilisiert Demokratien von innen. Soziale Ungleichheit schürt zudem Ressentiments in unserer Gesellschaft. Hier sind derzeit keine Initiativen durch die Bundesregierung erkennbar, was einer inneren Gefährdung unserer Demokratie gleichkommt.

Und immer wieder, quasi gebetsmühlenartig, wird die existentiell bedrohende Armut in diesem Land relativiert und verharmlost.

Faktencheck:

Das Robert Koch-Institut kommt nach der Datenanalyse des Sozioökonomischen Panels der Jahre 1992-2016 zu dem Ergebnis, dass 13 % der Frauen und 27 % der Männer aus der niedrigsten Einkommensgruppe nicht das 65. Lebensjahr erreichen.

In der höchsten Einkommensgruppe trifft dies lediglich auf 8 % der Frauen und 14 % der Männer zu.

Bezogen auf die mittlere Lebenserwartung bei Geburt liegt der Lebenserwartungsunterschied zwischen der niedrigsten und höchsten Einkommensgruppe bei Frauen bei 4,4 Jahren und bei den Männern bei 8,6 Jahren.

Dies bedeutet, dass von Einkommensarmut betroffene Menschen in dieser reichen bundesdeutschen Gesellschaft deutlich früher sterben als wohlhabende Mitbürger*innen. Diese konkreten Unterschiede in der Lebenserwartung sind eine extreme Ausprägungsform von sozialer Ungleichheit in einer Gesellschaft.

Wer die finanziellen Ressourcen zur Unterstützung von sozial benachteiligten Menschen hat, oder zumindest deren Einnahmen beschließen kann und dies nicht tut, der praktiziert eine Form von struktureller Gewalt. Kein Politiker kann behaupten, die Dimension und das Ausmaß von Leid durch die ungleiche Verteilung von Ressourcen und gesellschaftliche Ausgrenzungsmechanismen nicht gewusst zu haben.

Neben den gesellschaftlichen Unterdrückungs- und Ausgrenzungsmechanismen, die sich in den Begriffen „Rassismus“ und „Sexismus“ widerspiegeln, muss der Begriff des Klassismus in die kritische Diskussion eingebracht werden. Kemper (2016) bezeichnet Klassismus verkürzt als klassenbezogene Diskriminierung, die aufgrund der sozialen Herkunft oder/und der sozialen Position entsteht. Er fasst die Wirkung dieses praktizierten Klassismus in folgendem Satz zusammen: „Auf den Punkt gebracht: Klassismus ist Ausbeutung, Marginalisierung, Gewalt, Macht und Kulturimperialismus aufgrund der sozialen Herkunft oder Position.“

Sind wir wieder, beziehungsweise wir waren wohl nie davon entfernt, beim Klassenkampf angelangt? Und was bedeutet dies konkret? Jeder möge sich dazu selbst seine Gedanken machen.

Klundt und viele andere kritisierten schon vor Jahren sogenannte sozial-rassistische Einstellungen, die in einem fundamentalen Widerspruch zum Geist und Inhalt des Grundgesetzes stehen würden, insbesondere zu Art. 1 und 20 Grundgesetz. Es handele sich dabei um eine Form des akademischen Sozialrassismus, der in Menschen jeglicher Religion und Hautfarbe aus der Unterschicht eine Art Unterrasse von ewigen Niedrigleistern sehen würde und umgekehrt beruflich kommerziell erfolgreiche Menschen jeglicher Hautfarbe und Religion als eine Art Oberrasse der geborenen Leistungsträger sehen würde.

Politiker wie der Ministerpräsident Bayerns Markus Söder versuchen genau in diesem Kontext Politik zu machen. Oder ist dies einfach nur Hetze und eine Facette dieses sozialrassistischen Vorgehens?

Das Negieren der Gleichwertigkeit aller Menschen ist der Anfang des Rassismus und des Sozialrassismus/Klassismus.

Das Nicht-Praktizieren der Gleichwürdigkeit in der Begegnung mit meinem Mitmenschen, insbesondere mit den Menschen, die Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen sammeln mussten, manifestiert Rassismus/Klassismus.

Und natürlich stellt sich für uns alle, die wir im Nebel der Armutsbekämpfung, der Einforderung von sozialer Gerechtigkeit, von Umverteilung die Frage: Was müssen wir tun, was müssen wir noch entschiedener einfordern, kritisieren, skandalisieren? Und was müssen wir gemeinsam in Netzwerken und Organisationen thematisieren und nachhaltig verändern? Und was muss jeder oder jede Einzelne von uns im beruflichen und ehrenamtlichen Alltag an Haltung zeigen!?

Das Thema der „Umverteilung“ ist dabei genauso bedeutsam wie die Umsetzung von sensiblen, kreativen und wirksamen sozial-strukturell angelegten Lösungsideen. Natürlich sind in diesem Land genügend finanzielle Ressourcen vorhanden. Es geht also um eine Einnahme- und Verteilungsgerechtigkeit. Nach einer repräsentativen Befragung der Bertelsmann Stiftung zur Einführung einer Vermögenssteuer finden dies 76,5% der Bürger*innen für gut. 75,3 % geben in dieser Studie an, dass der Staat mehr für die Verringerung des Unterschieds zwischen Arm und Reich tun müsse. Also warum gibt es keine politische Partei, die dies auch wirklich umsetzt? Ist der Lobbyismus des Kapitals also immer noch, oder gerade besonders in der Gegenwart so stark, dass diese Vermögensumverteilungsmaßnahmen nur als Lippenbekenntnisse ab und zu auftauchen? Die Mehrheit der Bevölkerung ist scheinbar für diese Umverteilungsmaßnahme.

Der Bundespräsident schlug die Einführung eines sozialen Pflichtdienstes insbesondere für junge Menschen in diesem Land vor, um sie für die sozialen Probleme, für gemeinsames solidarisches gesellschaftsförderndes Handeln zu sensibilisieren. Wäre es, bei der großen Distanz der Parlamentarier in Berlin im Hinblick auf die Lebenssituation sozial benachteiligter Menschen, nicht sinnvoller, für jeden Bundestagsabgeordneten eine Pflichthospitation, ein Pflichtpraktikum in den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit, die sich mit den Auswirkungen ihrer Politik beschäftigen müssen, zu fordern? Nämlich ganz konkret in sozialen Brennpunkten, in Wohnungsloseneinrichtungen, in Schuldnerberatungsstellen, in Projekten und Initiativen der Gesundheitsversorgung für nicht krankenversicherte Menschen, in Sammelunterkünften für geflüchtete Menschen usw. Sollten wir nicht auch ein Ministerium für Soziale Gerechtigkeit, wie es dies in Irland gibt, einfordern, um deutlich zu machen, dass die politische und gesellschaftliche Realisierung von sozialer Gerechtigkeit, von Armutsbekämpfung eine zentrale Aufgabe einer Demokratie sein muss?

Armutsbekämpfung muss zu einem Querschnittsthema in der Politik werden. Jede Entscheidung muss auf ihre Auswirkung im Hinblick auf die Lebenssituation sozial benachteiligter, ausgegrenzter, armutsgefährdeter Menschen hinterfragt werden. Wieso gibt es, als skandalöses Beispiel, immer noch keine Gleichbehandlung von Frauen und Männern und Menschen einer anderen Geschlechtsidentität?

Das Thema Gender-Ungerechtigkeit begleitet uns schon Jahrzehnte. Begriffe wie

  • Gender-Pay-Gap
  • Equal-Pay Day
  • Gender-Pension-Gap
  • Gender-Data-Gap
  • Care-Arbeit

weisen auf eine ungerechte Bezahlung und Wertschätzung von genderspezifischen Merkmalen, insbesondere der ungleichen Bezahlung zwischen Männern und Frauen und der Nichtberücksichtigung von elementarem gesellschaftlichen Handeln (Care-Arbeit) im Hinblick auf Honorierung und Generierung von Rentenansprüchen, hin.

Diese ungerechte und ungleiche Behandlung von Frauen ist tief verwurzelt mit patriarchalischen Machtstrukturen in unserer Gesellschaft. Dieses Patriarchat beinhaltet immer noch Ausbeutung, Unterdrückung und Benachteiligung in zentralen Lebensbereichen wie der Erwerbsarbeit, Sexualität, im kulturellen Sektor, der Care-Arbeit. So sind zum Beispiel sozialpolitische Transfer-Leistungen eng geknüpft an Versicherungsprinzipien der lückenlosen Erwerbsarbeit. Und diese Erwerbsarbeit wird in einem „normalen Arbeitsverhältnis“, was gleichbedeutend ist mit unbefristet und tariflich entlohnte Vollzeittätigkeit, geleistet. Geringes Einkommen und eine Erwerbsbiografie, die sich durch Unterbrechungen wie zum Beispiel, Mutterschutz, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, auszeichnet, wird mit deutlich geringeren sozialen Transferleistungen „bestraft“.

Diese Aspekte zeigen sich im Jahre 2021 zum Beispiel auch in der unterschiedlichen Höhe der Arbeitslosengeld-I-Leistungen. 23,6 % der Frauen bekommen weniger als 600 € an Arbeitslosengeld-I ausgezahlt, nur 8,9 % der Männer sind davon betroffen. 11,4 % der Frauen beziehen ein Arbeitslosengeld-I von mehr als 1500 €, bei den Männern liegt der Anteil bei 27,2%.

Menschen mit Respekt, Würde und Zuwendung zu begegnen, ist immer ein Prozess, der auf beide Beziehungspartner ausstrahlt.

Zu diesem politisch-gesellschaftsstrukturell bezogenen eingeforderten Verhalten gehört auch elementar eine Selbstreflektion, ein Schauen in unser Inneres. Dies bedeutet, selbst Verantwortung zu übernehmen und nicht in der Analyse der Verantwortlichkeit anderer für diese Verletzung von Menschenrechten, für dieses Manifestieren von Ungleichheit starr zu verharren.

Es geht eben auch um die Hinterfragung des eigenen Handelns.

Es geht nicht um eine selbstzerstörerische Kritik, es geht um tabulose Kritik, es geht um stetige authentische Begegnung und das Hinschauen dem eigenen Leben und dem fremden Leben gegenüber. Wachsam für die Not und das Bedürfnis des Anderen und Wachsam gegenüber meinen irrationalen Ängsten zu sein. Und zugleich die Demut zu leben, wie schmal der Grat zwischen falschem und richtigem Handeln oft ist. Diese Wachsamkeit ist nicht selten ein schmerzvoller Erkenntnisprozess, aber davon lebt der Mensch eben auch. In diesem Zusammenhang fällt mir oft ein Zitat aus dem Buch: Der kleine Prinz ein: „Man sieht nur mit dem Herzen gut! Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Haben wir mehr den Mut, mit dem Herzen zu sehen. Das Herz ist für uns Westeuropäer das Organ der Emotionalität. Haben wir deshalb auch mehr Mut zur gelebten Emotionalität.

Emotionale Vernunft ist gefragt, sich nicht nur auf die vermeintlich objektive Ratio zu stützen, wenn folgenreiche Entscheidungen zu treffen sind, sondern verantwortungsvoll die eigenen Gefühle und subjektiven Wertmaßstäbe in den Entscheidungsprozess zu implementieren.

Ein sehr schönes Bild der Visualisierung diesem notwendigen Dualismus von Rationalität und Emotionalität, die dann etwas Neues gemeinsam entstehen lässt, sehe ich in der traditionellen japanischen Wabi-Sabi-Ästhetik in Form der Kintsugi Methode. Gesprungene Keramikfragmente werden mit hochwertigem Material repariert und damit zu etwas Neuem zusammengefügt. Dies ist ein Ausdruck der Wertschätzung insbesondere fragilen Dingen gegenüber. Stellen Wissenschaft, Rationalität nicht oft Fragmente einer globalen Wahrheit dar, die erst durch das emotionale Reflektieren und Erkennen verstehbar werden?

Und genau in diesem Kontext ist das „Füreinander da sein“, das gegenseitige Zuhören ein zentraler Lebensbaustein des Menschseins. Aber natürlich auch die Kritik an politischen Fehlentscheidungen und einem zunehmend gelebten Klassismus.

Es ist, und dies möchte ich nochmals ausdrücklich betonen, wichtig, Demokratien von innen zu schützen, den sozialen Frieden im gesellschaftlichen Miteinander zu gewährleisten. Und dies geht nur durch die Praktizierung von sozialer Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung, Bildungsgerechtigkeit und damit auch Verteilungsgerechtigkeit. Soziale Gerechtigkeit ist die Bewährungsprobe einer jeden freiheitlichen Demokratie. Mahatma Gandhi sagte einmal: „Armut ist die schlimmste Form von Gewalt.“

Unsere Demokratie muss also nach außen hin und im Inneren geschützt und beschützt werden. Der soziale Frieden im Inland ist genauso bedeutsam wie der Frieden mit anderen Nationen!

Die Menschenrechte und das Völkerrecht müssen bei allen Menschen und bei allen Nationen Anwendung finden. Denn nur diese Maxime lässt uns letztendlich hoffen und überleben.

Auf der Suche nach den Mitmenschen werden wir immer auch mit unserem Selbst, mit unserer Individualität des Menschseins, konfrontiert. Der Psychiater Gustav Jung schrieb einmal: „Es ist leichter zum Mars vorzudringen als zu sich selbst“.

Haben wir den Mut zur Begegnung mit uns selbst, und dies beinhaltet immer auch die Begegnung mit meinen Mitmenschen und genau davon lebt der Mensch!

Auch wenn die Begegnung mit meinem Mitmenschen schmerzhaft sein kann und wir uns ohnmächtig fühlen und die Gefahr des daran Scheiterns groß erscheint, sollten wir nie die Hoffnung und auch die Gewissheit aufgeben, die Mahatma Gandhi wie folgt beschreibt: „Und wenn ich verzweifle, dann erinnere ich mich, dass durch alle Zeiten in der Geschichte der Menschheit die Wahrheit und die Liebe immer gewonnen haben. Es gab Tyrannen und Mörder und eine Zeit lang schienen sie unbesiegbar, doch am Ende scheiterten sie immer. Denke daran – immer.“

Vielleicht trifft dies ja auch auf die Armutsbekämpfung in einem reichen Land wie dem unseren zu. Und in Anlehnung an Albert Camus muss uns bewusst sein, dass dies eine permanente Revolte ist, die wir praktizieren und durchstehen müssen. Wir sollten, nein wir müssen diesen „Kampf“, ja ich wähle diese militärische Formulierung, weil es mir mittlerweile häufig wie ein Kampf vorkommt, nicht aufgeben und wir müssen ihn gemeinsam mit den betroffenen Menschen und Partner*innen weiterführen. Dieses solidarische Engagement ist alternativlos! Denn es geht um Menschenrechte, die Menschen verweigert werden, und nicht primär um Wohlfahrt. Ich möchte nun meine Gedanken zum Thema Soziale Ungleichheit zum Abschluss mit einem Zitat von Stéphane Hessel beenden: „Leisten wir Widerstand und schaffen Neues, schaffen wir Neues und leisten Widerstand.“

Vielen Dank!

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