22.10.2019
Teil 3 der Reihe "Kinderrechte ganz praktisch"
Eine Kita im Interview
Schlagwörter:Jugendliche, Kinder, Kinderrechte, Kinderschutz
Wie können Sie die Rechte von Kindern und Jugendlichen in Ihrer täglichen praktischen Arbeit stärken?
Die Stärkung der Kinderrechte ist die Grundlage unserer täglichen pädagogischen Arbeit. Wir arbeiten in einem Stadtteil mit besonderen Herausforderungen für Familien, hier sind alle Problemlagen anzutreffen. Die Rechte der Kinder sind im Bewusstsein der Eltern wenig bis nicht verankert.
In der konsequenten qualitativen Weiterentwicklung unserer Arbeit stellt sich immer die zentrale Frage, wie wir das Kindeswohl garantieren können. Das Recht auf Gesundheit ist ganz oben angesiedelt. Die Vollversorgung für alle Kinder wird über täglich frisch zubereitetes Essen, einschließlich Rohkost und Obst sichergestellt. Auch auf tägliches Zähneputzen wird, unterstützt durch eine gute Kooperation mit der Abteilung Zahngesundheit des Jugendamtes, großen Wert gelegt. Bewegung und Sport haben ebenfalls einen hohen Stellenwert. Zur spielerischen Verbesserung der Motorik wird der gesamte Stadtteil als Parcours genutzt.
Wie werden Kinder und Jugendliche bei Ihnen über ihre Rechte informiert?
Unsere Kinder kennen ihre Mitsprachrechte, die für alle sichtbar in einer Kitaverfassung festgeschrieben sind. Wichtiger als das Aufhängen der Verfassung ist jedoch, dass die den Kindern zugesprochenen Rechte von den Erzieherinnen gelebt werden. Die Haltung der Mitarbeiterinnen ist hier der entscheidende Punkt, der immer wieder reflektiert werden muss. Unsere Kinder sind es gewöhnt, nach ihrer Meinung gefragt zu werden, sie lieben es, in unseren Konferenzen und Kinderversammlungen mitzureden und gehört zu werden.
An welche Grenzen geraten Sie, wenn Sie kleine Kinder, bspw. 4-Jährige, beteiligen wollen?
Auch bei den Kleinsten der Kinder wird Beteiligung ernst genommen. Sie schöpfen ihr Essen eigenständig, schenken Getränke ein, bestimmen selbst von wem sie gewickelt werden. Die Haltung der Erzieherinnen und ihr Bild vom Kind ist auch hier entscheidend für eine echte Beteiligung. Die Sprache als Ausdrucksform für Bedürfnisse ist bei den Kleinsten nur selten möglich. Daher haben alle Erzieherinnen im Krippenbereich eine intensive Ausbildung zur Wahrnehmung der kindlichen Bedürfnisse absolviert und verfügen über eine große Feinfühligkeit im Erkennen der kindlichen Signale.
Spielt die Festschreibung der Kinderrechte, bspw. in Form der UN-Konvention oder zukünftig im Grundgesetz für Ihre praktischen Bemühungen eine Rolle?
Die Festschreibung der Kinderrechte im Grundgesetzt würde sehr helfen, diese auf den unterschiedlichsten Ebenen voranzutreiben. Sie würden ernster genommen werden, als es bisher der Fall ist. Auf kommunaler Ebene wäre es von Vorteil, beispielsweise das Recht der Kinder auf angemessene Lebensbedingungen zu verankern und bei allen politischen Entscheidungen zu berücksichtigen. Dies würde neue Möglichkeiten eröffnen, sich mit den Kindern einzumischen und das Recht einfordern, gehört zu werden. In unserer praktischen Arbeit hätten wir mehr Möglichkeiten, mit den Eltern konkrete Ideen zu entwickeln, wie die Rechte der Kinder auch in den Familien verankert werden könnten.
Claudia Hauschild,
Leitung des evangelischen Eltern-Kind-Zentrums Kieselgrund
Das Themenblatt zum Thema Kinderrechte können Sie hier herunterladen.
Alle weiteren Themenblätter des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit finden Sie hier.
Lesen Sie auch Teil 1 und Teil 2 unserer Reihe "Kinderrechte ganz praktisch" - die Interviews mit Frauke Groner (Kinder- und Jugendbeteiligungsbüro Berlin Marzahn-Hellersdorf) und Michael Achenbach (Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Plettenburg)