24.07.2017
Weil Du arm bist, musst Du früher sterben
Positionspapier der Nationalen Armutskonferenz zu Armut und Gesundheit
Barbara Eschen, Diakonie Berlin-Brandenburg
Schlagwörter:Armut, Postitionspapier
„Weil du arm bist, musst du früher sterben“ - so lautet der Titel eines Filmes von Paul May aus dem Jahr 1956. Als Nationale Armutskonferenz sagen wir: Das gilt auch heute noch und das ist ein Skandal. Armut macht krank. Trotzdem kommt das Thema in öffentlichen Debatten nicht vor. Gerade jetzt vor der Bundestagswahl möchten wir auf diesen unsäglichen Zusammenhang aufmerksam machen. Mit unserem Positionspapier richten wir uns an Entscheiderinnen und Entscheider in der Politik und darüber hinaus. Armut bedeutet mehr als den Verzicht auf Konsumgüter. Armut bedeutet physisches und psychisches Leid, höhere Erkrankungsraten und eine signifikant geringere Lebenserwartung. Ausgaben für ihre Gesundheit stellen Menschen mit geringem Einkommen vor unüberwindbare Finanzierungsprobleme.
Arm zu sein bedeutet eine große psychosoziale Belastung. In unserer leistungsbezogenen Gesellschaft wird der Wert eines Menschen oft über die Arbeitsstelle und das Einkommen definiert. Vor diesem Hintergrund werden von Armut bedrohte und betroffene Menschen häufig als Leistungsverweigerer stigmatisiert. Bei den betroffenen Menschen führt das oft zu einem sinkenden Selbstwertgefühl, das zu Krankheitsbildern wie Depressionen und Angststörungen führen kann. Zudem ist die Selbstmordrate unter sozial Benachteiligten deutlich erhöht. Auch die Sterberate ist bei armen Menschen deutlich höher. Nach Studien des Robert Koch Instituts sterben arme Männer in Deutschland im Durchschnitt elf Jahre früher als ihre nicht armen Geschlechtsgenossen. Arme Frauen sterben durchschnittlich acht Jahre früher als nicht arme Frauen. Bei wohnungslosen und obdachlosen Menschen ist die Situation noch dramatischer.
Dieser Zustand widerspricht dem Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, der in mehreren Urteilen (2010, 2014) vom Bundesverfassungsgerichts betont wurde und auch Gegenstand internationaler menschenrechtlicher Vereinbarungen wie dem UN-Sozialpakt und der Sozialcharta des Europarats ist. Darum fordert die Nationale Armutskonferenz die politisch Verantwortlichen in Deutschland zum Handeln auf, um die gesundheitliche Versorgung für alle in Deutschland Lebenden unabhängig von Einkommen und sozialem Status zu gewährleisten!
Als Nationale Armutskonferenz haben wir in diesem Positionspapier unsere Forderungen dargelegt. Gesundheit ist ein Menschenrecht. Gesundheit und Genesung dürfen nicht an dem finanziellen Mitteln Einzelner scheitern. Aus diesem Grund muss es für einkommensarme Menschen eine vollständige Kostenbefreiung bei der Gesundheitsversorgung geben.
Die Forderungen des Positionspapiers stießen auf ein großes Medienecho, zum Beispiel auf
Zeit online, in der Frankfurter Rundschau und der taz.
Pressekontakt: Lena Högemann, 030 820 97 110, Hoegemann.L(at)dwbo.de
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Die Nationale Armutskonferenz ist Mitglied des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit