Wirksamkeit kommunaler Präventionsketten
„Wer alleine arbeitet, addiert. Wer zusammen arbeitet, multipliziert.“ (fernöstliche Weisheit)
Prävention und Gesundheitsförderung gehören zur öffentlichen Daseinsvor- und -fürsorge. Wie auf allen Feldern öffentlichen Handelns stellen sich den Verantwortlichen in Stadt und Land Fragen zur Qualität und Wirksamkeit der initiierten Interventionen, Maßnahmen, Projekte, Aktionen und Initiativen. Worin besteht ihr Erfolg, kurz- und vor allem langfristig? Woran lässt er sich festmachen, substanziell und transparent? Gibt es Möglichkeiten, gewünschte Ergebnisse, Fortschritte in der eigenen Arbeit und/oder Handlungserfolge zu messen und darzustellen? Und wenn ja, auf welche fachlich, sozial, politisch und finanziell ansprechende Weise? Womit sind öffentliche Ausschüsse und entscheidende Ebenen zu überzeugen?
Die nachfolgende Zusammenstellung sollte als Orientierung verstanden werden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Sie kann laufend an aktuelle Erkenntnisse angepasst werden, für Hinweise sind wir dankbar.
Hier finden Sie diese Auflistung von Wirksamkeitsnachweisen kommunaler Präventionsketten auch als pdf-Datei.
Allgemeines zur Wirkungsorientierung von Präventionsketten
Landesvereinigung für Gesundheit & Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen: Praxishilfe „Wirkungen sichtbar machen. Eine Einführung in die Arbeit mit Wirkungsmodellen“ aus dem Programm „Präventionsketten Niedersachsen“ (2. Auflage 2022)
Phineo gAG: Kursbuch Wirkung (6. Auflage 2021); dazu: Skala Campus: Online-Anleitung „Wirkung lernen: Soziale Projekte besser managen“
Institut für soziale Arbeit e.V.: Qualitätsrahmen Kommunale Gesamtstrategie für das Programm „kinderstark – NRW schafft Chancen“ (2020)
Stefanie Albus et al.: Wirkungsorientierte Jugendhilfe. Abschlussbericht der Evaluation des Bundesmodellprogramms „Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung durch wirkungsorientierte Ausgestaltung der Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsvereinbarungen nach §§ 78a ff SGB VIII (2010)
Gesamtdarstellungen „Wie wirken Präventionsketten?“
Bei Präventionsketten handelt es sich um komplexe Interventionen mit verschiedenen Zielen auf unterschiedlichen Ebenen, unter Beteiligung unterschiedlicher Akteure, mit verschiedenen „Zielgruppen“, unterschiedlichen Zeithorizonten etc. Deswegen lassen sich Wirkungszusammenhänge nicht „einfach“ linear und kausal darstellen. Vielmehr geht es darum, die Fortschritte und Erfolge der Präventionskettenarbeit durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren sichtbar zu machen. Lohnt sich dieser kombinierte Einsatz an kommunalen Mitteln, öffentlichen Quellen, strategischen Impulsen, gesellschaftlichen Kräften und fördernden Hilfen? Wie lässt sich der vielseitige Input legitimieren?
Gemeinsames Impulspapier "Präventionsketten wirken! - Eine Argumentationshilfe nicht nur für kommunale Entscheidungsträger*innen“ (2023)
LVR-Landesjugendamt Rheinland „Wissen was wirkt: Arbeitshilfe für ein wirkungsorientiertes Monitoring kommunaler Präventionsketten gegen Kinderarmut“ (2021)
Stefan Schmidt: Vortrag „Kommunale Präventionsketten wirkungsvoll planen und steuern“ (2021)
Myriam Robert et al.: Consented indicators for the evaluation of integrated strategies of community health promotion targeting children and adolescents: results of an eDelphi. BMC Public Health 24, 252 (2024)
Eike Quilling & Stefanie Kruse: Evidenzlage kommunaler Strategien der Prävention und Gesundheitsförderung: Eine Literatur- und Datenbankrecherche (Rapid Review) (2019)
„Warum sollte man Präventionsketten aufbauen?“
Landesvereinigung für Gesundheit & Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen: Ergebnispapier „Präventionsketten Niedersachsen wirken!“ (2023)
Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit: Argumentationspapier „Gesundheit macht Kommune stark. Sechs gute Gründe für den Auf- und Ausbau integrierter kommunaler Strategien zur Gesundheitsförderung und Prävention“ (2019)
Instrument zur Selbstevaluation von Präventionsketten
Landesvereinigung für Gesundheit & Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen: Fortschrittsdiagramm für Präventionsketten
„Was sagen die Zahlen: Wie steht es um die Gesundheit der Menschen in unserer Kommune?“ (Wirkungsnachweise anhand quantitativer Daten)
Im Rahmen der vernetzten Strategie und interdisziplinären Zusammenarbeit können Teilergebnisse (Effekte) bei hinreichender Längsschnitt-Betrachtung auch unilateral reflektiert und identifiziert werden. Hierzu zählen z.B. gesundheitliche Indizien für ein erkennbares Chancenplus in Bezug auf die Daseinsqualität, Erkrankungsrisiken und Lebenserwartung.
Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen: Sozialmonitoring Integrierte Stadtteilentwicklung – Bericht 2023
Dominik Röding et al. Effekte integrierter Strategien kommunaler Gesundheitsförderung auf die Diabetes mellitus-Mortalität. Journal of Urban Health 98(5) (2021)
„Wie werden die Angebote in Anspruch genommen?“
Präventionsketten bündeln unterschiedliche Unterstützungs- und Bildungsangebote, mit dem Ziel, die Teilhabechancen von Gruppen in schwieriger sozialer Lage zu stärken und den gesundheitlichen Folgen von Armut entgegenzuwirken. In welchem Maß erreichen die öffentlichen Angebote ihre „Zielgruppen“, wie und von wem werden sie genutzt?
LVR-Landesjugendamt Rheinland: „Wissen was wirkt: Unterstützung und Wirkungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit“ (2020)
„Was sagen die Menschen in unserer Kommune: Wie geht es ihnen und wie zufrieden sind sie?“ (Wirkungsnachweise anhand qualitativer Daten)
Für eine integrierte Strategie kommt der Resonanz auf das örtliche „Gesundheitspanorama“ eine erhebliche Bedeutung zu. Wohin tendiert die „Stimmung“ im sozialen Raum, im ausgewählten Setting? Woran denken Bürger*innen, wenn sie zu lebenswichtigen Themen befragt werden? Wie zufrieden sind sie, ihre gesundheitliche Situation und soziale Lage betreffend?
Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung: Bevölkerungsbefragung zur Stadtentwicklung 2021. Soziale Entwicklungen und Lebenssituation der Münchner Bürger*innen (2022)
Netzwerk für Familien in Dormagen (seit 2006): Einzelfall-Schilderungen (nicht veröffentlicht)
„Wie zufrieden sind die Fachkräfte und Entscheidungsträger*innen?“
Mit Präventionsketten werden nicht nur Wirkungen bei den „Zielgruppen“ (meist Kinder, Jugendliche und ihre Familien) angestrebt. Mit Blick auf den Strukturaufbau sollen auch Wirkungen in den Netzwerken, auf Fachkräfte und auf Entscheidungsträger*innen erzielt werden. Nachhaltigkeit bedarf der engen Vernetzung. Netzwerke brauchen engagierte Multiplikator*innen. Deren Blick auf die Handhabung der kommunalen Prävention und ihrer wirksamen Verkettung lohnt sich. Sei es als Zwischenbilanz, zur Weiterentwicklung oder zur verfeinerten Steuerung der integrierten Strategie.
- MAGs – München Aktiv für Gesundheit e.V.: gut und gesund aufwachsen – dank der Präventionskette Freiham. Rückblick auf die Aufbauphase 2017-2023 (2024)
- Landesvereinigung für Gesundheit & Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen: EvaluationsReport zur Prozessevaluation des Programms „Präventionsketten Niedersachsen“ (2023)
Stephan Voss et al.: Einflussfaktoren beim Aufbau von Präventionsketten in Neubaugebieten am Beispiel des Münchner Stadtteils Freiham – eine qualitative Studie. Prävention und Gesundheitsförderung 18, 454-466 (2023)
Anika Schöttle et al.: Aufbau der Präventionskette Freiham aus Sicht des Steuerungsgremiums: eine qualitative Interviewstudie mit Sozialer Netzwerkanalyse. Thieme: Stuttgart (2022)
Netzwerk für Familien in Dormagen (seit 2006): erhöhte Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden im Jugendamt (Quelle: persönliche Mitteilung, nach einer Mitarbeiter*innen-Befragung)
Soziale, finanzielle und wirtschaftliche Erwägungen
Drei Dimensionen kennzeichnen die Prävention und Gesundheitsförderung in besonderer Weise: Erstens: die aktivierende Teilhabe benachteiligter Menschen, ein klarer Gewinn auch für das demokratische Zusammenleben. Zweitens: das darauf fußende Mehr an realen Alltagschancen, diesseits staatlicher Transferleistungen. Drittens: die selbstbestimmte Ressourcenstärkung, die sich für die Kommune auch finanziell positiv auswirken kann. Mehrdimensionales Vorgehen braucht einen langen Atem, doch in seinen Ergebnissen übertrifft es jeden monokausal angelegten Prozess.
LVR-Landesjugendamt Rheinland: „Wissen was wirkt: Kinderarmut und frühkindliche Bildung“ (2019)
Gerhard Micosatt & Elmas Yilmaz: Kommunale Prävention und soziale Kosten. Entwurf eines fiskalischen Beobachtungssystems (2017)
Bertelsmann Stiftung: Die Wirkungsweise kommunaler Prävention. Zusammenfassender Ergebnisbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellvorhabens „Kein Kind zurücklassen! Kommunen in NRW beugen vor“ (KeKiz) (2016)
„MoKi-Präventionskette“, Monheim am Rhein: geringere Quote an jungen Menschen, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen, als vergleichbare Kommunen (Quelle: persönliche Mitteilung)
Netzwerk für Familien in Dormagen (seit 2006): geringere Anzahl vorläufiger, stationärer Schutzmaßnahmen (Inobhutnahmen) als vergleichbare Kommunen (Quelle: persönliche Mitteilung)
Prognos gAG: Gutachten „Soziale Prävention“ – Bilanzierung der sozialen Folgekosten in Nordrhein-Westfalen“ (2011)
James J. Heckman: Skill Formation and the Economics of Investing in Disadvantaged Children. Science Vol. 312, S. 1900-1902 (2006)
Die Geschäftsstelle des Kooperationsverbunds Gesundheitliche Chancengleichheit aktualisiert diese Liste laufend. Für Hinweise auf Ergänzungen sind wir dankbar.