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31.01.2014

Der "AGILe" Weg zu Gesundheit bei Kindern

Sabine Tramm-Werner, Deutscher Kinderschutzbund Ortsverband Aachen e.V.
Gabriele Trost-Brinkhues, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte; Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes

Schlagwörter:Bewegungsförderung, Ernährung, Erzieher, Nachhaltigkeit

AGIL® -  Aktiver, Gesünder Is(s)t leichter

Inhalt

Pro­gramm  zur Vorbeugung von Über­ge­wicht, mangelnder Be­we­gung und falscher Er­näh­rung, wel­ches seit März 2007 in Kin­der­ta­ges­stät­ten, Schulen, Eltern-, bzw. Müttertreffs und Offenen Ganz­tags­schu­len (OGS) eingesetzt wird.

Ziel­grup­pen

Kinder im Al­ter von ca. 3-12 Jahren, Eltern, Er­zie­her/-in­nen und Leh­rer/-in­nen. Ein besonderer Fo­kus liegt auf so­zi­al be­nach­tei­lig­ten Kin­dern.

Ziele

  • Gesunde Er­näh­rung und körperliche Ak­ti­vi­tät wer­den für al­le Kinder zur Nor­ma­li­tät, un­ab­hän­gig von Aus­bil­dung und so­zi­aler Stel­lung.
  • Er­zie­her/-in­nen, Leh­rer/-in­nen und Eltern er­wei­tern selbst ihr Wissen über gesunde Er­näh­rung und Be­we­gung und da­bei wer­den sie mit Materialien und mit Me­tho­den  ausgerüstet wer­den, um Kinder un­ter­rich­ten zu kön­nen.

Träger

Deut­scher Kinderschutzbund Aachen

Unterstützer

Ge­sund­heits­amt, Schul­amt, Jugendämter, Kran­ken­kas­sen, Er­näh­rungswissenschaftler/in­nen, Er­näh­rungstherapeut/in­nen, Ärzt/in­nen, Psycholog/in­nen, Phy­si­o­the­ra­peut/in­nen, Motopäd/in­nen und Pädagog/in­nen

Ausgangssituation und Zusammenhänge

AGIL® ist ein Pro­gramm des Deut­schen Kinderschutzbundes OV Aa­chen, das zwi­schen 2007 und 2010 mit finanzieller Un­ter­stüt­zung des Ernährungsministeriums wei­ter ausgearbeitet wurde. Mit dem Ge­sund­heits­amt Aa­chen und wei­teren Partnern aus verschiedenen Wissenschaftsgebieten wie Me­di­zin, Ernährungs-, Sport- und Erziehungswissenschaften so­wie der Un­ter­stüt­zung des Jugendamtes der Stadt Aa­chen  wurde das Pro­gramm zu­vor entwickelt. Vorangegangen waren meh­re­re Untersuchungen des Ge­sund­heits­amtes zur gesundheitlichen und psychischen Si­tu­a­ti­on von Schulkindern.

2013 war Aa­chen mit AGIL® einer der drei Preis­trä­ger beim 5. European Award of Excellence „Ci­ty for Children”.

Es ging da­rum, gesundes Verhalten ins tägliche Leben zu in­te­grie­ren und zur Nor­ma­li­tät wer­den zu las­sen. Aus diesem Grunde haben wir uns ge­gen einzelne Aktionen ent­schie­den und ar­bei­ten stattdessen kon­ti­nu­ier­lich über einen Zeit­raum von zwei Jahren mit den Ziel­grup­pen.

Wie Kitas und Schulen agil wer­den

2 Jahre kom­men speziell ausgebildete Mo­de­ra­tor/in­nen jede Wo­che in die Ein­rich­tung­en und üben ei­ne der ins­ge­samt 80 flexiblen, de­tail­liert ausgearbeiteten Ein­heit­en mit den 3-12 jährigen Kin­dern und fünf Ein­heit­en mit deren Eltern. Obwohl das Pro­gramm das gesamte Basiswissen über gesunde Er­näh­rung und Be­we­gung abdeckt, liegt der Schwer­punkt je­der Ein­heit im­mer auf dem ge­mein­samen Tun: ge­mein­sam wird gekocht, gegessen, es wird gespielt und die Kinder wer­den ständig ermutigt, ih­re eigenen Ideen einzubringen und auszuprobieren.

Während der Übungseinheiten sind Er­zie­her/-in­nen und Leh­rer/-in­nen der Ein­rich­tung­en an­we­send, ler­nen „on the job“ und wer­den so nach ei­ner kurzen zusätzlichen theoretischen Unterrichtseinheit selbst zu AGIL® -Mo­de­ra­toren/-in­nen. Auf diese Wei­se bleibt das Wissen auch nach der Intensiv-Schulungsphase in der Ein­rich­tung und so kann ei­ne Nach­hal­tig­keit garantiert wer­den.
Während die AGIL® -Mo­de­ra­toren in den Ein­rich­tung­en sind, er­ar­bei­ten sie ge­mein­sam mit den Pä­da­go­gen auch Vorschläge für die Verbesserung der Verpflegungssysteme und der Schulhöfe, und sie zei­gen Ge­le­gen­heit­en zu Sport und Be­we­gung in der Um­ge­bung der Ein­rich­tung­en auf.

Das Pro­gramm

Mit un­se­rem An­satz wol­len wir nicht nur Verhältnisse, son­dern auch Verhalten än­dern. Das ist ein schwieriger Weg, das 5-Phasen-Modell von Porchaska, Rogers u.a. (nach Everett Rogers, Dif­fu­si­on of Innovations, 4th ed. New York: Freepress, 1995, p. 190) - ist die Grund­la­ge für un­se­re Ar­beit. Wir wol­len nicht be­leh­ren, son­dern wir wol­len mo­ti­vie­ren. Ernährungskommunikation muss Spaß, Ge­nuss und Le­bens­freu­de vermitteln. Kopf, Herz und Hand müs­sen glei­cher­ma­ßen angesprochen wer­den.

Kinder sollen mitmachen, mit ko­chen, mit ein­kau­fen, rie­chen, schme­cken, schnei­den, mi­xen, aus­pro­bie­ren und - ganz wich­tig - mit pla­nen. So haben sie Spaß an der Be­we­gung, erfin­den neue Spiele, wer­den selbst aktiv und ler­nen ih­re Fä­hig­keit­en und Gren­zen ken­nen, er­le­ben Erfolge und auch Misserfolge und ler­nen  Verantwortung für ihr eigenes Tun zu über­neh­men. Ei­ge­ne Er­fah­rung­en sind viel mehr wert als fremde Er­klä­rung­en. Dazu ge­hö­ren Erfolge, auf die man stolz sein kann aber auch Feh­ler, die verbessert wer­den kön­nen. Nur so kom­men Kinder zu praktischer Kom­pe­tenz.

Das Pro­gramm zeigt Kin­dern und ih­ren Fa­mi­lien wel­che Gestaltungsmöglichkeiten sich für das Kind als In­di­vi­du­um oder für die Fa­mi­lie als Ge­mein­schaft er­ge­ben, wenn man die eigenen Ge­wohn­heit­en einmal neu überdenkt - und selbst­be­wusst und kri­tisch mit Me­di­en und Wer­bung umzugehen lernt.  

Kinder brau­chen frische Luft - sie sollen sich zwei Stun­den am Tag drau­ßen be­we­gen, um geis­tig und kör­per­lich fit zu wer­den. Das ist si­cher­lich in manchen Stadtbezirken ei­ne große Herausforderung, aber ab­so­lut not­wen­dig. Wir ent­de­cken mit den Kin­dern die Um­ge­bung der Schulen, neue Spielvarianten auf bekannten Plätzen und fin­den heraus, ob es in der Nä­he Spielkameraden gibt. Freunde  helfen, beim Spielen Spaß zu haben, soziale Kom­pe­tenzen zu ent­wi­ckeln, die eigene Iden­ti­tät zu de­fi­nie­ren und selbst­be­wusst zu wer­den. Und Freunde kann man fin­den - wenn man aktiv wird. Auch das vermitteln wir.

Wissen wei­ter ge­ben - Das AGIL® Handbuch

AGIL® hat als ei­ne qualitätssichernde Maß­nah­me ein eigenes Handbuch verlegt, das al­len fer­tig ausgebildeten AGIL® -Moderatoren zur Verfügung gestellt wird. In diesem Handbuch fin­den die Moderatoren den AGIL® -Leitfaden, Arbeitsblätter und Rezepte so­wie al­le ausgearbeiteten AGIL® -Ein­heit­en für Kindergärten und Schulen. Die Hauptthemen sind bessere Er­näh­rung und mehr Be­we­gung, aber ganz wichtige Inhalte, die sich durch al­le Ein­heit­en zie­hen, sind allgemei­ne Bil­dung und soziale Kom­pe­tenz so­wie Stei­ge­rung der Kre­a­ti­vi­tät und des Selbstbewusstseins - auch ein Bei­trag zur psychischen Ge­sund­heit.

Anfangsziele, die wir erreicht haben

Wir konnten ein primärpräventives An­ge­bot schaffen, das interessierten Ein­rich­tung­en  zur Verfügung steht und das zur­zeit be­reits an über 35 Ein­rich­tung­en funktioniert. Die Nach­hal­tig­keit  des An­ge­bots wurde in einer Stu­die des Max Rubner Instituts untersucht. Er­zie­her und Eltern be­rich­ten, dass die Ess­ge­wohn­heit­en vieler Kinder sich verbessert haben, das Wissen über gesunde Er­näh­rung sich bei den beteiligten Kin­dern verbessert hat und viele Kinder sich mehr zu­trau­en. Besonders freu­en wir uns, dass Kran­ken­kas­sen die Einführung des Programms in den Ein­rich­tung­en fi­nan­zi­ell un­ter­stüt­zen.

"Ge­sun­de Er­näh­rung und körperliche Ak­ti­vi­tät wer­den für al­le Kinder zur Nor­ma­li­tät. Nach­hal­tig­keit wird durch langjährige, qualitätsgesicherte kontinuierliche Ar­beit im Setting KiTa und Schule bei gleichzeitiger „on the job“-Ausbildung der Pä­da­go­gen erreicht." (Dr.Tramm-Werner, Projektleitung AGIL®)

Er­fah­rung­en mit dem Pro­gramm

Zu­gang zu den Zielgruppen

Durch die Im­ple­men­tie­rung  in das Gesamtkonzept der  Kindergärten und Grund­schu­len ist gewährleistet, dass Kinder al­ler Bildungsebenen Zu­gang zu dem Pro­gramm be­kom­men. In den agilen Ein­rich­tung­en profitieren al­le Kinder von dem Pro­gramm. In Ein­rich­tung­en mit vielen so­zi­al schwachen Kin­dern dauert es  häufig ein Jahr, bis Eltern sich an­spre­chen las­sen.

Soziale Inklusion

Wir rich­ten un­ser Au­gen­merk be­son­ders auf Ein­rich­tung­en, die ei­ne große An­zahl so­zi­al benachteiligter Fa­mi­lien und Fa­mi­lien mit Migrationshintergrund be­treu­en. Wir helfen diesen Ein­rich­tung­en, Spen­der zu fin­den, die den Eigenanteil der Ein­rich­tung fi­nan­zie­ren.

Die tägliche Pra­xis

In die Pla­nung waren ne­ben den interdisziplinären Fach­leu­ten auch die Mo­de­ra­tor/in­nen, Er­zie­her/in­nen und Leh­rer/in­nen involviert, die das Pro­gramm in der täglichen Pra­xis um­set­zen. Das Pro­gramm ist fle­xi­bel, so dass es auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Ein­rich­tung­en an­ge­passt wer­den kann. Gemeinsam mit Er­zie­hern, Kin­dern und ihren Eltern wurden  80 Unterrichtseinheiten entwickelt und zu­nächst in der Pra­xis getestet, um erst da­nach in ei­nem Handbuch festgehalten zu wer­den. Mit Fragebögen wurden die Eltern der Kinder und die Kinder selbst da­nach befragt, ob die Inhalte praxistauglich sind und im Fa­mi­lienalltag umgesetzt wer­den kön­nen.

Nach­hal­tig­keit

Der Langzeiterfolg wurde vom Max-Rubner In­sti­tut in ei­ner Stu­die untersucht, in die die Be­wer­tung­en aus al­len „Kinderleicht“ - Pro­jekten des Bundesernährungsministeriums eingeflossen sind. Eine Eva­lu­a­ti­on speziell zur Nach­hal­tig­keit bestätigt dem AGIL® - Pro­jekt Er­folg. Die Fi­nan­zie­rung des Pro­jektes wird we­gen der Qua­li­tät bis zu 90% von verschiedenen Kran­ken­kas­sen übernommen, wenn die Ein­rich­tung­en sich er­folg­reich um ei­ne Teil­nah­me am Pro­jekt be­wer­ben.
Laufende Kosten nach der Im­ple­men­tie­rung in ei­ner Ein­rich­tung: Für laufende Qua­li­täts­kon­trol­len und Supervisionen fal­len ca. 300,-€ pro Jahr und Ein­rich­tung an.

Weitere Ziele

Das Pro­gramm über Aa­chen hinaus be­kannt zu ma­chen und Netzwerke zu fin­den, die AGIL® auch in anderen Städten zum Er­folg füh­ren, ist das nächste Ziel. Bei Interesse, wenden Sie sich gerne an Frau Dr. Sabine Tramm-Werner.

Weitere Informationen und Materialien

Der Deut­sche Kinderschutzbund Bundesverband e.V ist seit 2012 Mit­glied im „Ko­o­pe­ra­ti­ons­ver­bund Ge­sund­heit­liche Chan­cen­gleich­heit“.

Der Deut­sche Kinderschutzbund Bundesverband e.V. setzt sich für den Schutz von Kin­dern vor Ge­walt, ge­gen Kinderarmut und für die Um­set­zung der Kinderrechte in Deutsch­land ein. Ziel ist die Verwirklichung der UN-Konventionen über die Rech­te der Kinder. Er tritt für ei­ne kinderfreundliche Ge­sell­schaft ein und wirkt da­rauf hin, dass die In­te­res­sen und Bedürfnisse der Kinder und Ju­gend­li­chen bei allen gesellschaftlichen Ent­schei­dung­en Be­rück­sich­ti­gung fin­den.

Ein Video von Heinz Hilgers - Prä­si­dent des Deut­schen Kinderschutzbund - über Kinderarmut und Chan­cen­gleich­heit fin­den Sie hier.

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